Wettswil-Coach und Nati-Legende Lichtsteiner will im Cup Winti ärgern
«Wir wollen uns nicht verstecken»

Stephan Lichtsteiner, Ex-Nati-Captain, startet im Amateurfussball bei Wettswil-Bonstetten seine Trainerkarriere. Im Blick-Interview spricht er über das bevorstehende Cup-Spiel gegen Winterthur sowie über seine Ziele als Trainer.
Publiziert: 16.08.2024 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2024 um 16:37 Uhr
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Stephan Lichtsteiner in seiner neuen Rolle als Trainer.
Foto: Sven Thomann
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Carlo Emanuele FrezzaReporter Fussball

Blick: Herr Lichtsteiner, warum der FC Wettswil-Bonstetten als erste Trainerstation im Erwachsenen-Fussball?
Stephan Lichtsteiner: Ich war die letzten drei Jahre im Nachwuchsbereich tätig. Ein viertes Jahr in dieser Alterskategorie hätte mir persönlich nichts gebracht. Ich wollte mit Erwachsenen zusammenarbeiten, die dir auch Feedback geben, was die Trainingsgestaltung, die Belastungssteuerung usw. betrifft. Das ist für mich sehr interessant, auch wenn wir hier nur drei Trainings haben und es eine entsprechende Herausforderung darstellt, etwas aufzubauen.

Wie haben die Spieler reagiert, als sie mitgekriegt haben, dass der Ex-Nati-Captain und langjährige Juve-Star als Trainer übernimmt?
Ich weiss es nicht. Ich war nicht dabei (lacht).

Wie ist es Ihnen ergangen? Sie sind sich hochprofessionelle Umgebungen gewohnt gewesen und jetzt sind Sie im Amateurfussball aktiv.
Meine Spieler leben genauso für den Fussball. Sie kommen unfassbar gerne ins Training. Aber klar, das sind keine Profis. Der Spassfaktor darf nicht zu kurz kommen. Sie wollen keine stundenlangen Konditionseinheiten oder analytische Übungen. Die wollen den grössten Teil schon spielerisch gestalten.

Wettswil ist auch ihr Wohnort. Wird Ihre Familie am Freitagabend beim Cupspiel gegen den Super-Ligisten auch anwesend sein?
Mein Sohn sicher. Meine Frau und meine Tochter sind nicht so extrem Fussball angefressen. Mal schauen.

Wie gehen Sie dieses Spiel gegen Winterthur an?
Wir wissen, dass wir Aussenseiter sind. Aber trotzdem müssen wir uns nicht verstecken. Meine Jungs kommen nicht hierher, um das Trikot zu tauschen. Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen. Wir wollen versuchen, eine Runde weiterzukommen. Dann schauen wir, wie es rauskommt und analysieren es.

Für Amateurklubs ist der Schweizer Cup jedes Jahr ein riesiges Highlight. Was bedeutet dieser Wettbewerb Ihnen persönlich?
Für mich sind es Spiele wie alle andere. Die Leidenschaft für diesen Sport ist immer noch da. Genauso wie der Drang immer gewinnen zu wollen. Egal, ob es gegen Winterthur, am Mittwoch gegen FC Kosova oder am Samstag in Freienbach ist. Für mich hat der Fussball eine gewisse Perfektion. Auf diese will ich hinschaffen. Das ist fundamental, um Titel zu gewinnen.

Sie haben es angesprochen: Pro Woche leiten sie «nur» drei Trainings. Was macht Stephan Lichtsteiner an den restlichen Tagen der Woche?
Langweilig wird es mir nicht. Da sind die privaten Sachen, die du vorantreiben willst, sowie die Kinder, mit denen du gerne Sachen unternimmst. Darüber hinaus habe ich noch die Anstellung beim FC Basel in der U21 als Defensivtrainer und habe ein VR-Mandat beim HC Lugano. Aber dadurch, dass ich am Mittwoch und Donnerstag in der Regel freihabe, kann ich natürlich verschiedene Stages machen und dabei Trainer besuchen, die für mich interessant sind.

Welche Trainer stehen auf Ihrer Watchlist?
Sicher Andrea Pirlo, der aktuell Sampdoria in der Serie B trainiert. Thiago Motta bei Juve interessiert mich auch sehr. Genauso wie Marseille mit Roberto De Zerbi, Vincent Kompany bei Bayern, Xabi Alonso bei Leverkusen, Mikel Arteta bei Arsenal. Jürgen Klopp hätte ich auch sehr gerne besucht, aber der hat jetzt leider eine Pause eingelegt (lacht).

Welches ist der Trainer, der Sie während ihrer Fussballer-Karriere am meisten geprägt hat?
Ich hatte das Glück, dass ich von klein auf immer Trainer hatte, die mich gefordert haben. Jeder hat seinen Teil zu meiner Karriere dazu beigetragen. Wer mir aber noch den letzten Schliff gegeben hat, ist Antonio Conte bei Juventus.

Hat der heutige Napoli-Trainer bei Ihnen auch die Gewinnermentalität zusätzlich verstärkt?
Diese Mentalität, immer gewinnen zu wollen, hatte ich immer in mir drin. Aber mit ihm habe ich bei Juve einen Trainer vorgefunden, der gleich tickt wie ich. Einer, der einen enormen Siegeswillen ausstrahlt und sich über Titel identifiziert. Zusätzlich lautet der Klub-Slogan: «Gewinnen ist nicht wichtig. Es ist das Einzige, was zählt.» Das hat mich schon sehr geprägt.

Werden Sie ein ähnlicher Trainertyp sein wie Conte, der an der Seitenlinie teils wie ein Zäpfchen abgeht?
Das gilt es jetzt für mich herauszufinden. Es wichtig, zu wissen, welchen Charakter du hast. Auf der einen Seite gibts einen Conte oder Diego Simeone – auf der anderen einen Carlo Ancelotti. Das sind komplett andere Coaches vom Persönlichen her. Wenn man mich als Fussballer kennt, dann weiss man, dass ich eher nicht so ruhig war wie Ancelotti.

Das spricht dafür, dass Sie auch ein sehr aktiver Coach an der Seitenlinie sein werden.
Als Spieler hatte ich das gerne. Ich konnte dadurch nochmal einen Extrasprint, einen Extrazweikampf machen und so Verantwortung übernehmen. Als Trainer sind dir die Hände gebunden. Du kannst dirigieren, machen und tun. Gleichzeitig musst du schauen, dass du nicht übertreibst. Ich muss meinen Weg finden, um während des Spiels Souveränität auszustrahlen und dem Team zu helfen.

Und was für eine Spielidee schwebt Ihnen vor?
Ich will einen dominanten Fussball spielen lassen. Aber am Ende des Tages will ich gewinnen. Prinzipien sind wichtig, aber wenn ich welche habe, die mich nicht zum Erfolg bringen, dann sind sie falsch. Es ist wichtig, dass man Prinzipien hat, die einen zum Erfolg bringen. Sonst bringt alles nichts.

Wann sehen wir Sie zum ersten Mal im Profibusiness?
Ich sage mir nicht, dass ich in drei bis vier Jahren Profitrainer sein will. Zudem muss ich mich entscheiden, wo ich die restlichen Trainerdiplome mache. Möglich ist, dass ich den restlichen Teil der Ausbildung in einem anderen Land absolviere, so eine neue Kultur kennenlerne und sich der Rucksack weiter füllt.

Erwägen Sie diesen Schritt auch deswegen, weil in anderen Ländern Ex-Fussballer, die auf höchstem Niveau gespielt haben, deutlich schneller zu ihren Trainerdiplomen kommen?
Ein Stück weit schon. Es kann nicht sein, dass ich x Diplome brauche, um überhaupt eine U21 trainieren zu können. Es ist nicht so, dass ich etwas gratis haben will oder nichts dafür tun möchte. Aber man muss schon ein bisschen aufpassen: Bis wohin machen wir es theoretisch? Es ist wichtig, dass wir die Trainer ausbilden und nicht regulieren. Denn Fussball ist Theorie, ja. Aber es ist vor allem Praxis.

Sie plädieren also stark dafür, dass auch in der Schweiz der Weg zum Trainerschein für Ex-Fussballer wie Sie erleichtert wird.
Es ist schon nicht so, dass man als Fussballer aufhört und gleich ein Top-Trainer ist. Aber wir hatten in den letzten Jahren und haben auch jetzt noch so viele Spieler bei Top-Klubs wie noch nie. Vor allem für die Jungen hat es einen völlig anderen Impact, wenn sie von Ex-Spielern lernen, die auf allerhöchstem Level kickten. Diese gilt es, ins Boot zu holen. Wenn wir das aber verpassen und die Leute mit ihrem Know-how daheim rumsitzen, wird der Schweizer Fussball in einigen Jahren in Schwierigkeiten kommen.

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