In den grossen Ligen ist es nicht unüblich, dass man einen Goalie für den Cup und einen für die Meisterschaft benennt. Von daher ist das Vorgehen von St. Gallens Trainer Peter Zeidler nichts Revolutionäres. Wenn man zwei starke Goalies hat, kann ich absolut nachvollziehen, dass man das bis und mit Final so durchzieht.
Denn ein Coach gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit in der Garderobe. Er stellt unter Beweis, dass er eine klare Linie hat und dass er Versprechen einhält. Ich würde es genau gleich machen wie Zeidler.
Der Deutsche sieht ja seinen zweiten Goalie Watkowiak tagtäglich im Training. Er wird ihn sicher nicht ins Tor stellen, wenn das nicht verantwortbar wäre. Ein gewisses Risiko ist es gewiss, auf den formstarken Zigi zu verzichten. Aber Zeidler ist ein Trainer, der Mut hat, der sein Team immer mit einem gewissen Risiko offensiv spielen lässt. Der Watkowiak-Poker passt also bestens zu seiner Linie.
Aber: Der Coach steht natürlich unter Druck. Wenn St. Gallen den Final wegen Böcken von Watkowiak verlieren sollte, muss das Zeidler verantworten. Das ist ihm allerdings egal. Für ihn ist wichtiger, das Versprechen einzuhalten, das er Anfang Saison abgegeben hat. Das stellt er sogar über den Cupsieg.
Dann steigt Zeidlers Glaubwürdigkeit ins Unermessliche
Bei mir wäre das auch so. Luganos Coach Croci-Torti ist von diesem Prinzip abgekommen. Osigwe war der Cup-Goalie seit dem Viertelfinal gegen Thun. Bis er in der Meisterschaft gegen Sion für den ebenfalls formstarken Saipi einspringen musste – und dieses Spiel verbockte. Croci-Torti rückte dann von seiner Maxime ab – und stellte Saipi im Halbfinal gegen Luzern wieder in den Kasten. Der brachte die Bianconeri mit zwei gehaltenen Elfern im Penaltyschiessen in den Final…
Und ich hätte dennoch Osigwe spielen lassen! Der hätte vielleicht drei Penaltys gehalten. Oder auch null. Aber Croci-Tortis Glaubwürdigkeit wäre ins Unermessliche gestiegen, hätte sich Lugano mit Osigwe für den Final qualifiziert. Bei Zeidler wird das garantiert passieren, wenn die Espen mit Watkowiak den Kübel holen.
Und falls nicht? Dann hat Zeidler immer noch Rückgrat gezeigt. Das ist mindestens so dauerhaft wie ein Cupsieg.