Könnte man die Vorfreude der Rorschach-Spieler auf das Cup-Duell gegen den FC St. Gallen in Wasser umwandeln, die Bodenseestadt hätte kein Problem mit historischen Tiefständen.
Für gewöhnlich stehen die Fussballer des interregionalen Zweitligisten in der Fankurve, nun treten sie ausgerechnet gegen ihre Idole an. Der Wahnsinn. «Wir sind Fans! Wenn wir nicht selber spielen, sind wir im Stadion. Zum Cupfinal gegen Lugano sind wir mit grünen Perücken angereist», sagt Captain Patrice Baumann.
Amateure posieren im FCSG-Trikot
Zusammen mit seinem Teamkollegen posiert er – natürlich im FCSG-Trikot – vor der charakteristischen halbrunden Calzavara-Tribüne. Dass das Spiel ausgerechnet am Sehnsuchtsort Espenmoos stattfindet, ist der Schlagrahm auf dem Glace-Becher. «Ich war mit sechs Jahren zum ersten Mal im Stadion», erinnert sich Baumann. Auch das letzte Spiel ist omnipräsent. Weil es als eines der unrühmlichsten in die Geschichte des FCSG eingegangen ist. Und weil noch heute von der «Schlacht im Espenmoos» gesprochen wird. Es ist der 20. Mai, 2008, das letzte Spiel vor dem Umzug in den Kybunpark. Barrage gegen Bellinzona. Lazio-Legende Senad Lulic trifft in der Nachspielzeit zum 2:0, St. Gallen steigt ab. Und hinter der Torauslinie marschieren rund 50 Polizisten in Robocop-Montur auf. Dahinter stehen Tausende St.-Gallen-Fans, alle hässig, alle ernüchtert. Es kommt zum Platzsturm. Werbebanden, die beiden Tore und vieles mehr gehen zu Bruch, 59 Personen werden verhaftet.
Auch Baumann stürmt damals den Rasen. Als Souvenirjäger. «Ich habe mir zwei Plastikstühle geholt. Ein Kumpel von mir hat ein Stück vom Tornetz herausgeschnitten.»
Magische Nächte im Espenmoos
Dass das Espenmoos wegen seinem chaotischen Ende in Erinnerung bleibt, glaubt Baumann nicht. Schliesslich habe man unzählige legendäre Nächte erlebt. Die Finalissima gegen GC 2001 zum Beispiel. Oder den Meistertitel vor über 22 Jahren. Vier Runden vor Schluss werden die Ostschweizer unter Marcel Koller Meister. Am 7. Juni, im Anschluss an das letzte Meisterschaftsspiel gegen die Grasshoppers, darf der FCSG vor 11'500 Fans im Espenmoos den Pokal in Empfang nehmen. «Der Wahnsinn» sei das gewesen, sagt der damals 9-jährige Baumann.
Heute werden rund 5000 Fans im ausverkauften Espenmoos sein, wohl mehr als dreimal so viele Tickets hätten verkauft werden können, die Stehplätze waren innert Minuten ausverkauft. Die ganze Region freut sich auf die Rückkehr an den Sehnsuchtsort.
Espenmoos-Wetter
Und auch das Wetter macht mit. Als die Rorschach-Spieler für den SonntagsBlick-Fotografen posieren, giesst es wie aus Kübeln. «Das ist ja richtiges Espenmoos-Wetter», sagt Oliver Baumann, Patrices Bruder. Mit Yves spielt ein dritter Baumann-Bruder bei Rorschach. Es ist innert zwei Jahren das zweite Duell gegen einen Super-Ligisten. Damals gabs für die tapferen Bodensee-Kicker ein 0:3, gegen ihre Idole aus St. Gallen soll zumindest ein Tor gelingen.
Dass dies nicht einfach werden wird, hat die Zeidler-Elf in der Vorbereitung bewiesen. Damals siegten die humorlosen St. Galler gegen den Fünftligisten Urnäsch mit 25:0. Inklusive einer Monster-Schwalbe von Jérémy Guillemenot, die zu einem Penalty führte.
Ob die St. Galler solche Mätzchen heute gegen Rorschach nötig haben werden?