Brügges Sportchef Rigaux definiert den Jashari-Status
«Die Schweiz hat ein Luxusproblem»

Im Schweizer Nationalteam fehlt Ardon Jashari erneut, in Belgien hingegen ist der 22-Jährige unverzichtbar. Brügges Sportchef Dévy Rigaux (37) schwärmt im Blick-Interview vom jungen Leader: «Mit gefällt seine Intelligenz auf und neben dem Rasen.»
Publiziert: 19.03.2025 um 11:02 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2025 um 11:06 Uhr
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Ardon Jashari ist schon nach 41 Spielen mit Brügge der Team-Leader.
Foto: IMAGO/Photo News

Darum gehts

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Sven SchochReporter Sport

Die Schweizer Fans warten nach wie vor auf Ardon Jasharis grossen Durchbruch im Nationalteam. Brügges Juwel kommt zwar auf zwei Endrunden, aber nur auf zwei Minuten Spielzeit. Letztmals steht der 22-Jährige beim 1:6-Debakel gegen Portugal im WM-Achtelfinal in Katar auf dem Rasen. Im vergangenen Februar hat ihm Nationalcoach Murat Yakin bei einem persönlichen Meeting vor dem Abschluss der Champions-League-Vorrunde in Manchester einen konkreten Plan für die nächsten Testspiele präsentiert: «Ich bin offen, die Aufgaben unter Umständen anders zu verteilen. Seine Kilometer in Belgien und in Europa sind hilfreich. Dann muss Ardon bereit sein, um auf sich aufmerksam zu machen!» Die Fortsetzung ist bekannt: Jashari verzichtet auf das Camp in Portugal; sein strapazierter Körper benötigt nach 41 Saison-Partien eine Pause.  

Das Verhältnis mit den SFV-Entscheidungsträgern scheint nicht ganz unkompliziert. Wie taxieren Sie die Ausgangslage?
Dévy Rigaux: Ich bin davon überzeugt, dass Murat Yakin seinen Plan nach bestem Wissen und Gewissen macht. Die Schweiz hat ein Luxusproblem. Mir persönlich ist es immer lieber, mehrere Topspieler zu haben. Ich glaube, Ardon steht für die Schweizer Zukunft. Wenn er im Klub so weitermacht, dürfte er mittelfristig auch im Nationalteam zum Stamm gehören. Es ist aber nicht meine Aufgabe, für den Nationalcoach Empfehlungen abzugeben. Für ein Land wie die Schweiz ist es super, einen solchen Spieler auf der Liste zu haben. 

Bei den kommenden Tests gegen Nordirland und Luxemburg wäre Jashari als Ersatz für den nicht verfügbaren Captain Granit Xhaka eingeplant gewesen. Wegen einer Schambeinentzündung rückte er nun aber nicht ins SFV-Camp ein.
Ardon spielt seit Monaten fast dreimal pro Woche. Sein Körper reagierte zuletzt auf die Belastung. Deshalb wollen wir etwas dosieren. In Kürze beginnen bei uns in Belgien die Playoffs und somit der wichtigste Teil der Saison. Wir sind in seinem Fall sehr vorsichtig, weil wir einen fitten Jashari brauchen und auf keinen Fall riskieren wollen, dass sich seine Beschwerden akzentuieren. Unsere medizinische Abteilung hat die Sachlage sehr transparent mit dem Schweizer Verband abgesprochen. Ich sehe da keinerlei Probleme. 

Wie nehmen Sie Jashari auf und neben dem Platz wahr?
Ardon strahlt ein enormes Charisma aus. Mir gefällt seine Intelligenz auf und neben dem Rasen. Seine Qualität überrascht mich nicht. Wie er alles im Gleichgewicht hält, ist hingegen beeindruckend. In seinem Spiel sehe ich viel Feuer. Sein Temperament steht für eine gesunde Aggressivität, verpackt in fussballerische Kunst. 

Wie ist er im Kreis der Mannschaft angekommen?
Die Mitspieler schätzen ihn. Er sucht die Verantwortung und tritt selbstbewusst auf, aber wirkt dabei nie arrogant. Jashari weiss sehr gut, wie er sich ausdrücken muss, wie er mit den Menschen kommunizieren muss. 

Auf dem Rasen hat Jashari inzwischen den Lead übernommen. Er kommt bereits auf 41 Spiele.
Als wir ihn in der Schweiz beobachtet haben, ist uns ziemlich schnell aufgefallen, wie gut Ardon sich dem Rhythmus anpassen kann, wie er damals als Captain die Spiele dominiert hat. Er besitzt die Gabe, sich rasch zu adaptieren. Ein paar Einsätze genügten, um die höhere Intensität der belgischen Liga in den Griff zu bekommen. 

In der Champions League brillierte Jashari bis zum Out im Achtelfinal gegen Aston Villa.
Im Europacup machte Ardon, was ihm schon in der Liga glänzend gelungen ist: Er hob sein Niveau jedes Mal an. Er war immer in der Lage, die Energie, die Schnelligkeit des Spiels aufzunehmen. Der nächste Schritt macht ihm keine Mühe, das Tempo ist für ihn kein Problem. Für einen 22-Jährigen im ersten Jahr im Ausland ist das aussergewöhnlich gut. 

Ihr erster Eindruck in Luzern hat sich vollumfänglich bewahrheitet?
Schon beim ersten persönlichen Treffen spürte ich, dass Ardon etwas Besonderes verkörpert. Er kann sich im Umgang mit den Coaches gut positionieren und begegnet einem im Gespräch auf eine ausgesprochen natürliche Weise. Im sportlichen Bereich waren seine Vorzüge sofort erkennbar: das Spielverständnis, der Appetit auf das, was Tag für Tag zu erledigen ist, seine wunderbare Technik. Ein Klasse-Spieler! 

Wie kommt er bei den Fans an?
Sie sind verliebt in Ardon. Sie mögen ihn sehr. Ich habe viele Kommentare gelesen. Und glauben Sie mir, ich bin schon lange im Business, ich arbeite seit 16 Jahren für Brügge, aber nicht mancher Akteur wurde so angehimmelt. Er macht in jeder Partie das Trikot nass und gibt nie auf, nur das Limit ist für ihn genug.

War der Deal mit Ardon Jashari im letzten Sommer Ihr wichtigster Transfer?
Ich bin seit Februar 2024 auf meinem Posten und erzähle Ihnen eine kleine Anekdote: Beim dritten Besuch in der Schweiz war unser Klub-Anwalt dabei. Ardon machte nicht sein bestes Spiel, also fragte er mich: «Dévy, bist du wirklich sicher? An deinem ersten Transfer werden dich die Fans immer messen?» Für mich hingegen war klar, dass wir den Deal durchziehen. Ich zweifelte keine Sekunde, dass er sich in Brügge durchsetzen und die Fans glücklich machen würde. Seine Mischung aus heissem und kaltem Blut ist ehrlich gesagt fantastisch. Ardon wird eine grosse Zukunft haben. 

Im Januar hat der Verein mit Jashari den Vertrag vorzeitig bis 2029 verlängert. Kalkulieren Sie schon jetzt mit einem baldigen Verkauf des Talents?
Für mich ist das ehrlich gesagt kein realistisches Szenario. Es war keinesfalls ein Signal der krampfhaften Angst, ihn bereits wieder zu verlieren. Wir haben mit ihm verlängert, weil er es sich verdient hat. Brügge ist ein Verein, der junge Spieler entwickelt, der ihnen Perspektiven bieten kann. Mit der Vertragsverlängerung wollten wir Danke sagen – und das hat Ardon gespürt. Er reagierte super glücklich und bedankte sich für diese Geste des Vertrauens. 

Weshalb befürworten Sie, dass er seinen Weg vorerst in Belgien fortsetzt?
Er hat hier sportlich eine exzellente Ausgangslage: die Chance, einen Titel zu gewinnen und sich erneut für die Champions League zu qualifizieren. Er gehört zum Kreis der Kandidaten für den goldenen Schuh in Belgien. Ich kann mir vorstellen, dass er zum besten Spieler der Liga gewählt wird. 

Die belgische Liga gilt als anerkanntes Sprungbrett für eine Top-5-Liga. Angesichts von Jasharis steil ansteigender Leistungskurve werden zeitnah gute Offerten auf Ihrem Tisch landen, oder?
Unser Geschäftsmodell basiert darauf, Spieler mit beträchtlichem Potenzial in einen Top-5-Markt zu bringen. Wenn ein Angebot käme, das wir eigentlich nicht ablehnen könnten, dann würden wir uns mit Ardon an einen Tisch setzen und die Lage besprechen. Aber noch einmal: Die Idee ist, dass er eine weitere Saison bei uns bleibt.

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