Am 29. Dezember 2013, vor fast zehn Jahren, verunfallte Michael Schumacher beim Skifahren in Méribel (F) schwer. Die Öffentlichkeit weiss nach wie vor nicht, wie es um den Gesundheitszustand des siebenfachen Formel-1-Weltmeisters aus Deutschland steht. Mick Schumacher (43 F1-GPs absolviert) war in Méribel mit seinem Vater unterwegs, als das Unglück geschah. Er, seine Schwester Gina Maria und Mutter Corinna geben keine Updates. «Wir leben zusammen zu Hause. Wir machen eine Therapie. Wir tun alles, was wir können, damit es Michael besser geht, damit er sich wohlfühlt und damit er einfach unsere Familie, unsere Verbundenheit spürt», sagte Corinna in einer Netflix-Dokumentation aus dem Jahr 2021.
Felix Damm, seit 15 Jahren Presseanwalt der Familie Schumacher, erklärt nun, warum sich seine Klienten für diesen schweigenden Weg entschieden haben. «Es ging immer darum, Privates zu schützen. Darüber, wie das möglich ist, haben wir natürlich viel diskutiert. So haben wir auch mal überlegt, ob eine finale Meldung über den Gesundheitszustand von Michael hierfür der richtige Weg sein könnte. Doch danach wäre ja nicht Schluss gewesen und es hätten dann permanent aktualisierte ‹Wasserstandsmeldungen› erfolgen müssen», so Damm im Interview mit dem Rechtsmagazin «Legal Tribune Online».
Kein Schlussstrich möglich
Damm: «Als Betroffener hat man es nicht in der Hand, den Medien damit einen Schlussstrich zu verordnen. Diese könnten eine solche Meldung immer wieder aufgreifen und fragen: ‹Und wie sieht es denn jetzt aus›, ein, zwei, drei Monate oder Jahre nach der Mitteilung. Und wenn wir dann gegen diese Berichterstattung vorgehen wollten, müssten wir uns mit dem Argument der freiwilligen Selbstöffnung befassen.»
Der Rechtsanwalt erinnert sich an die Zeit unmittelbar nach dem Unglück, als Schumacher im Spital in Grenoble versorgt wurde. «Ich habe das Bild von den zahlreichen Journalisten und Fotografen noch im Kopf, die nach dem Unfall noch tagelang vor dem Krankenhaus in Grenoble auf Informationen warteten. Um hier den Druck rauszunehmen, wurde in Pressemeetings, bei denen auch die behandelnden Ärzte dabei waren, erste allgemeine Auskünfte über die Verletzungen gegeben. Das waren also eigentlich Inhalte, die thematisch der Privatsphäre zugeordnet werden. Das war tatsächlich neu.» Später entschied dann der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Medien trotz der abgehaltenen Pressekonferenzen in Grenoble nicht über den Gesundheitszustand Schumachers spekulieren dürfen, weil die damals erteilten Auskünfte «so allgemein» waren, erklärt Damm.
100'000 Euro Entschädigung
In der Regenbogenpresse ist das Thema Schumacher kein Tabu. Den Satz «Er ist nicht mehr unter uns» druckte die Zeitschrift «die aktuelle», die dieses Jahr mithilfe von Künstlicher Intelligenz ein Interview mit Schumacher erfand, 2016 auf ihre Titelseite und erweckte damit den Eindruck, Michael Schumacher sei verstorben. Damm erstritt vor Gericht eine Entschädigungszahlung von 100'000 Euro. «Mir ist kein Fall bekannt, wo für die Veröffentlichung eines Satzes eine höhere Geldentschädigung bezahlt werden musste», sagt er gegenüber dem «Legal Tribune Online».
Als «bemerkenswert zynisch» empfindet der Presseanwalt die Argumentation von Medienvertretern, die behaupten, Michael Schumacher könne keine Ansprüche geltend machen, da er aufgrund seines Unfalls die Persönlichkeitsverletzung nicht mitbekomme. Damm stellt klar: «Gerade denjenigen den Schutz zu versagen, die besonders verletzlich sind, ist der falsche Weg.» (yap)