Hier crasht Wendlinger mit seinem Sauber-Mercedes
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In der Hafenschikane in Monaco:Hier crasht Wendlinger mit seinem Sauber-Mercedes

Ex-Sauber-Pilot Karl Wendlinger über seinen Horrorcrash 1994
«Seit dem Unfall kann ich schneller reden»

Am 12. Mai 1994 verunfallt Karl Wendlinger in Monaco schwer. Hier erinnert er sich zusammen mit Peter Sauber, dessen rechter Hand Diego Tomasini und Arzt Dominique Grimaud an die Tage in Lebensgefahr. Der erste Teil einer Serie zu Ehren des 500. Sauber-GPs am Sonntag.
Publiziert: 09.11.2020 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 15:12 Uhr
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Bange Minuten in Monaco, das war am 12. Mai 1994.
Foto: Getty Images
Daniel Leu

12. Mai 1994, 11.28 Uhr

Beim Anbremsen auf einer Bodenwelle stellt sich Wendlingers Sauber quer und rast anschliessend unlenkbar mit Tempo 250 km/h in mit Wasser gefüllte Plastiktanks.

Karl Wendlinger: «Meine letzte Erinnerung war die vom Vorabend. Ich wohnte damals in Monaco und schaute bei mir zu Hause den Uefa-Cup-Final zwischen Inter Mailand und Salzburg an. Als das Spiel fertig war, ging ich ins Bett. Das war meine letzte Erinnerung für viele Wochen.»

Peter Sauber: «Ich habe das Glück, dass ich in schwierigen Momenten immer sehr ruhig werde. So war es auch damals. Ich konnte in den ersten Minuten ja eh nichts anderes tun, als zu warten und zu hoffen, dass es nicht allzu schlimm ist. Angenehm war diese Warterei und Ungewissheit aber nicht.»


12. Mai 1994, nachmittags

Lebensgefahr! Wendlinger wird vom Princesse-Grace-Spital in die Spezialklinik Saint-Roch in Nizza geflogen.

Diego Tomasini: «Ich war damals offiziell Marketingleiter bei Sauber, inoffiziell war ich die rechte Hand von Peter Sauber. Als Karli verunglückte, ging ich sofort zur Unfallstelle. Später fuhr ich nach Nizza in den Spital. Die Lage war sehr ernst. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt keine Wette abgeschlossen, ob er überlebt.»

Professor Dominique Grimaud: «Patient Wendlinger kam in einem sehr kritischen Zustand zu uns in die Klinik. Während der ersten Woche musste man fast täglich mit seinem Tod rechnen.»


17. Mai 1994

Es wird versucht, Wendlinger aus dem künstlichen Koma zu holen. Weil dabei Komplikationen auftreten, wird er wieder in den Tiefschlaf versetzt.

Tomasini: «Die erste Woche war ich ununterbrochen im Spital. Ich sass meistens im dritten Stock im Vorraum der Intensivstation, durfte aber ab und zu auch zu ihm rein. Irgendwann brachte mir Jochen Mass, der in der Gegend wohnte, saubere T-Shirts und Unterhosen. Als fast krankhafter Optimist sagte ich mir: Das muss gut gehen. Punkt. Da Karli im gleichen Alter ist wie meine Tochter, hatte ich fast schon väterliche Gefühle für ihn.»

Sauber: «Diego war damals ein sehr wichtiger Mann für uns. Er hatte auch die Aufgabe, die vielen Journalisten von Karl wegzuhalten, was nicht einfach war. Auch ich habe Karl einige Male in Nizza und später auch in Innsbruck besucht.»


25. Mai 1994

Wendlinger öffnet seine Augen und bewegt seine Beine und Arme.

Grimaud: «Wenn man einen Patienten aus dem künstlichen Koma zurückholt, ist eine grosse Ungewissheit da. So war es auch bei ihm. Man wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob er bleibende Schäden davongetragen hat.»

Tomasini: «Als Karli langsam aufwachte, war ich bei ihm. Meine Gefühlslage? Ein ständiges Hin und Her. Es freute mich, dass er die Leute anschaute und sich leicht bewegen konnte. Gleichzeitig hatte ich Angst, dass er Folgeschäden haben könnte. Nach zwei Minuten schlief er dann gleich wieder ein.»


6. Juni 1994

Wendlinger wird mit einem Notarzt-Jet in die Uniklinik Innsbruck überführt.

Wendlinger: «Nach etwa zehn Tagen in Innsbruck kam ich wieder zu mir. Ich schaute mir das Zimmer an und dachte, das sieht ja wie in einem Krankenhaus aus. Dann wurde mir erklärt, was passiert war. Dass ich offenbar schon in Nizza die Augen geöffnet und geredet hatte, davon wusste ich nichts mehr.»


13. Juli 1994

Wendlingers erster öffentlicher Auftritt. Im Hotel Europa in Innsbruck tritt er vor die Medien.

Tomasini: «Wenn ich ihn heute sehe, sage ich ihm immer: Du hast das wichtigste Rennen deines Lebens gewonnen. Was erstaunlich ist: Seit seinem Unfall redet er schneller als vorher. Früher musste man ihm jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.»

Wendlinger: «Das mit dem Reden stimmt. Ich kann seitdem schneller reden. Ich konnte es vor allem in den Wochen und Monaten danach kaum stoppen, ich hatte einfach den ganzen Tag den Schnabel offen. Mittlerweile hat sich das wieder gelegt, ich tue mich beim Reden aber noch heute leichter als vor dem Unfall.»

Grimaud: «Mich freute es sehr, dass es ihm so schnell wieder besser ging. Als Dank hat mich übrigens der Automobilclub von Monaco zum lebenslangen Mitglied ernannt und mich und meine Familie einige Male zum GP eingeladen.»

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