Diszipliniert und hungrig nach Siegen
Warum Hamilton den Jungen auch mit 40 noch um die Ohren fährt

Lewis Hamilton schlägt 40-jährig ein neues Kapitel in seiner Sportkarriere auf. Was es braucht, um mit der jüngeren Konkurrenz mithalten zu können.
Publiziert: 08:11 Uhr
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Aktualisiert: 09:51 Uhr
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Auf Mission: Lewis Hamilton im traditionellen Rot von Ferrari.
Foto: AFP
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Patrick MäderAutor Blick Sport

In den sozialen Medien war kürzlich ein Beitrag zu sehen, der den Briten Lewis Hamilton mit seinem Vater beim Tennisspielen zeigt. Der siebenfache Formel-1-Weltmeister glänzt da nicht mit hoher Tenniskunst, dafür glänzt sein unbedeckter Oberkörper. Der gute Mann ist 40 und sieht aus wie ein durchtrainierter Twen in den besten Jahren.

Am 18. März 2007 fuhr Hamilton sein erstes Formel-1-Rennen, am 16. März 2025 wird er im Ferrari in Australien seine 19. GP-Saison eröffnen – mit dem Ziel, zum achten Mal Weltmeister zu werden. Der Brite twitterte kürzlich, als stünde er am Anfang seiner Karriere: «Eine Mission, über sich hinauszuwachsen. Das Abenteuer hat gerade erst begonnen.»

Wer mit 40 Jahren noch an der Weltspitze konkurrenzfähig ist, der ist ein Ausnahmeathlet, egal in welcher Sportart. Und Lewis Hamilton, von Charles auf Schloss Windsor 2021 zum Ritter geschlagen, ist auf jeden Fall eine Ausnahmeerscheinung – was kein Zufall ist. Hamilton trainiert in seinem privaten Gym hart und diszipliniert – vor allem in der Saisonvorbereitung verbringt er täglich Stunden im Kraftraum. Zudem ernährt er sich vegan und achtet beim Thema Gesundheit auf jede Kleinigkeit.

Lewis Hamilton dreht seine ersten Runden im Ferrari
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«Der König ist angekommen»:Lewis Hamilton dreht seine ersten Runden im Ferrari

Ein weiterer wichtiger Punkt ist seine Leidenschaft für den Sport. Hat man ihm in der letzten Saison bei Mercedes manchmal angemerkt, dass er frustriert war, weil er nicht um Siege mitfighten konnte, ist er seit seinem Wechsel zu Ferrari wieder top motiviert, fokussiert, siegeshungrig, feurig. Unabdingbare Voraussetzungen, um sportlich jung und spitze zu bleiben. Eigenschaften, wie sie auch Fernando Alonso hat. Der 43-jährige Spanier, zweifacher Weltmeister, geht in seine 24. Formel-1-Saison.

Jahr der vielen Comebacks

Hamilton und Alonso sind nicht die Einzigen, die die Fahnen der älteren Semester im Sport hochhalten. Im alpinen Skizirkus gaben Marcel Hirscher (36) und Lindsey Vonn (40) 2024 ihr Comeback. Im Boxsport stieg Mike Tyson 58-jährig gegen den halb so alten Jake Paul in den Ring. In der Halfpipe der Schweizer Snowboarder Iouri Podladtchikov (36), Olympiasieger von 2014. Im Tennis liebäugelte Venus Williams (44) mit einer Rückkehr auf den Court jetzt im März, verschob diese aber kurzfristig.

Und da gibt es einige, die gar kein Comeback planen müssen, weil sie nicht aufhören können und wollen. Cristiano Ronaldo, der wie Hamilton 40 ist, in Saudi-Arabien noch immer seine Tore schiesst und nicht an ein Leben nach dem Fussball denken will. Eishockey-Evergreen Jaromir Jagr, der mit 53 immer noch als Profi auf dem Eis herumkurvt. Oder Vierfach-Olympiasieger Simon Ammann, der mit 43 ungebremst Spass am Fliegen hat, auch wenn er nicht mehr zu den Top-Skispringern gehört.

Regeneration wird immer wichtiger

Diese Beispiele zeigen, dass man als Sportler natürliche Grenzen verschieben kann. «Die körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen erreicht ihren Höhepunkt typischerweise zwischen Mitte zwanzig und Anfang dreissig», sagt Hanspeter Betschart, Chief Medical Officer von Swiss Olympic. «Ältere Sportler können mit ihrer Erfahrung und gezieltem Training körperliche Nachteile kompensieren und so weiterhin auf hohem Niveau konkurrieren.» Je älter der Sportler sei, desto wichtiger werde die Regeneration, die man ins Trainingsprogramm integrieren müsse.

Die Verlängerung der sportlichen Karrieren, so Betschart, sei auf «verbesserte Trainingsmethoden, fortschrittliche medizinische Betreuung, optimierte Ernährungsstrategien und ein gesteigertes Bewusstsein für Regeneration und Prävention zurückzuführen».

Erhöhte Verletzungsgefahr

Aber Achtung! Nicht alle Comebacks verlaufen erfolgreich. Lindsey Vonn, die mit einer Teilprothese im Knie fährt, schlägt sich im Ski-Weltcup beachtlich, aber nicht ganz so gut, wie es ihr Ehrgeiz wohl von ihr verlangt. Marcel Hirscher zog sich nach drei Weltcuprennen im Training einen Kreuzbandriss im linken Knie zu. Inzwischen überlegt er sich ein erneutes Comeback. Und Iouri Podladtchikov ereilte genau dasselbe Schicksal wie Hirscher, damit ist der Traum des Schweizers von der Heim-WM (17. bis 30. März) in St. Moritz schmerzhaft geplatzt.

«Mit zunehmendem Alter steigt generell das Risiko für Verletzungen, da regenerative Prozesse langsamer ablaufen und die Belastbarkeit des Bewegungsapparats abnimmt», sagt Betschart. Der Chefarzt der Berit Sport Clinic in Speicher AR betont aber, dass man da je nach Sportart unterscheiden müsse.

Dass Formel-1-Fahren eine Risikosportart ist, liegt auf der Hand. Dass es auch körperliche und mentale Höchstanstrengungen verlangt, wird oft unterschätzt. Es gilt, die enormen G- und Fliehkräfte abzufangen und innert Sekundenbruchteilen die richtigen Entscheidungen zu treffen. «Man muss körperlich topfit sein, da ansonsten der Kopf mit jeder Runde stärker ermüdet», sagt Weltmeister Max Verstappen im «GQ»-Interview. Gestählte Muskeln sind also hilfreich, aber zu viel sind auch nicht gut, weil man als Pilot auf jedes Kilo achten muss, um nicht zu viel Gepäck ins Cockpit mitzubringen.

Mit 49 noch bei Olympia

Es hat schon immer Ausnahmen wie Hamilton gegeben, die auch im gesetzten Sportleralter zu Höchstleistungen fähig waren. Die Radfahrerin Jeannie Longo (66) zum Beispiel, die mit 49 an ihren siebten Olympischen Spielen teilnahm. Der norwegische Langläufer Ole Einar Bjoerndalen (51), der mit 40 zwei Olympia-Goldmedaillen gewann. Skispringer Noriaki Kasai (52), der mit 44 noch im Weltcup aufs Podest sprang. Tennis-Maestro Roger Federer, der noch mit 37 die Nummer 1 der Weltrangliste war. Footballer Tom Brady (47), der mit 43 den Super Bowl gewann. Oder Kazuyoshi Miura (57), der älteste Fussballprofi der Welt. Die japanische Ikone wird seine Fussballschuhe erst in diesem Sommer nach 39 Profijahren an den Nagel hängen.

Vor Lewis Hamilton hat schon Juan Manuel Fangio (†1995) im gesetzten Alter Formel-1-Geschichte geschrieben. Mit 40 Jahren gewann der Argentinier den ersten seiner insgesamt fünf WM-Titel. Mit 46 Jahren und 31 Tagen wurde er 1957 zum bislang ältesten Weltmeister aller Zeiten. Funfact zum Schluss: Erst nach seiner Karriere absolvierte Fangio die Fahrerprüfung, die ihm offiziell erlaubte, ein Auto durch den Strassenverkehr zu lenken.

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