Es ist das Sommermärchen in der Formel 1: Nach 56 sieglosen Rennen, seit dem 5. Dezember 2021 in Jeddah (eine Woche vor dem Skandal-Finale in Abu Dhabi), steht Sir Lewis Hamilton (39) wieder ganz oben: 104. GP-Triumph.
Was waren das für Emotionen vor 130'000 Zuschauern in Silverstone. Der siebenfache Weltmeister weinte in seinem «Wohnzimmer» (schon 9 Siege) hemmungslos, umarmte noch im Helm seinen Vater, später drückte er auch seine Mutter. «Sie haben immer an mich geglaubt, ohne sie wäre ich gar nie Rennfahrer geworden!»
«Ich liebe euch alle»
Hamilton in seinem Blick-Interview in Singapur: «Mein nächster Sieg wird der grösste Tag meiner Karriere sein!» Jetzt ist dieser Tag da: «Lange fragte ich mich, bist du noch gut genug? Aber das ganze Mercedes-Team hat immer an mich geglaubt: Ich liebe euch alle.» Und am Saisonende zieht Hamilton den roten Overall an.
Was für ein Rennen. Der drohende Regen kam, verschwand wieder und tauchte wieder auf. Wer auf den falschen Gummi setzte oder zu spät wechselte, wurde gnadenlos bestraft.
Krimi gegen Verstappen
Am Ende hatte sich der einst führende Norris im McLaren-Mercedes verzockt. Der WM-Zweite musste fünf Runden vor der Zielflagge Verstappen im Red Bull kampflos vorbeilassen. Der Holländer mit dem harten Reifen macht Jagd auf Leader Hamilton mit dem bereits angegriffenen weichen Gummi.
Spannung pur im Klassiker, der zum 75. Mal ausgetragen wurde. Hamilton hatte es schon nach 35 von 52 Runden an die Boxen gefunkt: «The sun is coming out!»
Sie schien endlich wieder mal für Hamilton, der im 344. Rennen auch seinen 199. Podestplatz feierte.
Lob von Red Bull
In der 19. Runde, als die Piste immer rutschiger wurde, demonstrierte Hamilton seine Klasse und überholte Teamkollege und Pole-Mann George Russell. Dieser musste später nach Boxenbefehl aufgeben: «Retire the car!» Bring das Auto an die Boxen. Dort hatte man ein Kühlproblem festgestellt – kurz darauf wäre der Motor geplatzt.
Max Verstappen war mit seinem 2. Platz zufrieden und stimmte in den Tenor von Bullen-Motorsportdirektor Marko ein: «Wir haben es gewusst und jetzt wieder gesehen: Lewis weiss, wie man einen Reifen schonend ins Ziel bringt.» Seltene Worte der Konkurrenz.
Und mathematisch hat dieser zweite Platz Verstappen jetzt sogar einen Halbzeit-Vorsprung von 84 Punkten auf Norris eingebracht.
McLaren jagt Ferrari
Während McLaren-Mercedes mit zwei Fahrern weiter mit Riesenschritten nach vorne stürmt, hat Red Bull seit Wochen nur noch Verstappen als Punktesammler. Ob Pérez seine Dauerkrise nach der Vertragsverlängerung überlebt? Auch Ferrari kommt seit dem Monaco-Sieg von Leclerc kaum mehr vorwärts. Der zweite Teamplatz ist gegenüber McLaren schon beim nächsten Rennen in Ungarn (21. August) in Gefahr – nur noch 302:295 Führung.
PS. Wie sah eigentlich das Podest beim letzten Hamilton-Sieg vor 945 Tagen aus? Der Brite gewann schon damals vor Verstappen – und dem in der Versenkung verschwundenen Bottas.