Wo die Menschenrechte mit Füssen getreten werden, boomt der Sport. Zuletzt: Formel-1-Start in Bahrain. Tennis und Triathlon in Dubai. MotoGP-Auftakt und Tennis in Doha. Wrestling und wohl bald der Mega-Schwergewichtsfight zwischen Anthony Joshua und Tyson Fury in Saudi-Arabien. Alles innerhalb von wenigen Monaten. Und nächstes Jahr die Fussball-WM in Katar.
«Diese Staaten haben vor rund zehn Jahren den internationalen Sport als Marketing-Vehikel für sich entdeckt», sagt Nahost-Experte Toby Matthiesen, der an der Stanford-Universität (USA) und der Universität von Venedig (It) forscht. «Es geht darum, die Golfregion auf die Weltkarte zu bringen.»
Terrorunterstützung, Folter, Repression
Es ist eine milliardenschwere Charmeoffensive. Und die scheint bitter nötig: In Bahrain ist Folter bis heute wesentlicher Teil des Systems. Katar unterstützt Islamisten in Syrien und Libyen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien führen in Jemen einen brutalen Krieg. Das innenpolitische Regime in Saudi-Arabien: extrem repressiv. Praktisch überall eine wichtige Rolle spielen Arbeitsmigranten, die unter unwürdigen Bedingungen schuften.
«Die machen das nicht, weil sie Sport so gerne mögen. Es geht um Einfluss auf unsere Aussen-, auf unsere Wirtschaftspolitik», so Matthiesen. Statt an Folter, Terrorfinanzierung und repressive Regimes sollen die Sport-Fans an Paris St-Germain, Man City und den letzten Grand Prix denken.
Dubai hats schon geschafft
Mancherorts funktionierts schon. «Dubai ist der Benchmark», sagt der renommierte Sportökonom Simon Chadwick, Fachgebiet Sportentwicklung in der Golfregion. «Wir hinterfragen Dubai in Europa kaum noch. Wir gehen da in die Ferien.» Nur manchmal, wenn eine Entführung wie die der Emir-Tochter Latifa Schlagzeilen macht, flackert Protest auf.
Weshalb bloss bietet der Sport für diese Imagepflege Hand? Chadwick: «Es gibt viel Geld zu verdienen.» Die Golfstaaten konkurrieren untereinander um die grössten Events. Als Katar die WM bekam, hatte das eine Verschärfung der Spannungen mit den Nachbarn zur Folge.
Den Sportverbänden wird der rote Teppich ausgerollt. «Es gibt nicht dieselben finanziellen Kontrollen und Zwänge. In London werden Sie gefragt, wer für Sie hinter den Kulissen eines Boxkampfs arbeitet und ob Sie einen Mindestlohn bezahlen. Ihre Konten und ihre Buchführung werden genau geprüft. In Saudi-Arabien ist das nicht so.»
«Die Fifa versucht Gott zu spielen»
Doch was ist mit der Verbesserung der Menschenrechtssituation, wie sie die Fifa zum Beispiel für Katar reklamiert? «Die Fifa versucht, Gott zu spielen in einer sehr komplizierten, geteilten und gleichzeitig globalisierten Welt», sagt Chadwick. «Die UNO kann es nicht, die USA können es nicht, China kann es nicht. Aber die Fifa probierts. Die Frage ist nur: Was wäre die Alternative?»
Darum halte er einen Boykott von Sportanlässen auch für falsch. Oder allzu harte Kritik an Stars wie Roger Federer, die in Dubai leben und spielen. «Wichtig wäre, dass sich Athleten wie Federer äussern und einsetzen, glaubwürdige Projekte in diesen Regionen unterstützen.»
Denn dass der Scheich-finanzierte Boom bald vorbei ist, daran glaubt niemand. Die Falle hat längst zugeschnappt.