Zwei Jahre nach Stockschlag ins Auge hat Neukom seine Zukunft aufgegleist
«Ich wollte nicht wahrhaben, was passiert ist»

Ein Stockschlag ins Gesicht beendete die Karriere von Benjamin Neukom. Der Ex-Stürmer sieht auf einem Auge kaum mehr etwas. Mit dem Schicksalsschlag hat er Frieden geschlossen. Er peilt ein Primarlehrer-Studium an und kümmert sich um Töchterchen Luna.
Publiziert: 13:28 Uhr
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Aktualisiert: vor 53 Minuten
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Ex-Stürmer Benjamin Neukom wohnt mit seiner jungen Familie seit letztem Sommer in Ostermundigen.
Foto: Pius Koller

Auf einen Blick

  • Benjamin Neukom wechselt vom Eishockey zum Lehrerberuf nach schwerem Unfall
  • Unfall führte zu fast vollständigem Verlust der Sehkraft im linken Auge
  • Ex-Stürmer bereitet sich auf Aufnahmeprüfung für Pädagogische Hochschule in Bern vor
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicole VandenbrouckReporterin Eishockey

Benjamin Neukom (33) steht in der Küche und kümmert sich um das Mittagessen. Töchterchen Luna (17 Monate) beschäftigt sich im Wohnzimmer mit ihren Spielsachen, ihre Mama Natacha bereitet sich auf ihre Arbeit als Anwältin vor. Die Familie, die im letzten Sommer von Rapperswil-Jona SG nach Ostermundigen BE gezogen ist, hat ihren Rhythmus im Alltag gefunden. Und im Leben nach der Spielerkarriere des 33-Jährigen.

Rückblende, 5. November 2022: Im Startdrittel des Swiss-League-Duells zwischen Olten und Visp kommt es zur fatalen Szene in einem Zweikampf. Der Stock eines Vispers trifft Neukom im Gesicht. Die Stockschaufel sticht dabei direkt ins linke Auge. Die Diagnose in der Augenklinik Aarau ist eine bittere: Fast die ganze Regenbogenhaut – uns als Iris bekannt – ist abgerissen.

Lange bangt der einstige Tigers-, Lakers- und Fribourg-Stürmer um seine Sehkraft. Er klammert sich an die Hoffnung, eines Tages aufs Eis zurückkehren zu können. Doch 15 Monate nach dem Unfall gibt Neukom offiziell seinen Rücktritt vom Eishockey bekannt. Da hat er schon mehrere Operationen hinter sich. Die Linse muss ausgewechselt werden. Sein Augapfel ist mit Öl gefüllt, um die Netzhaut zu beschweren, damit sie sich nicht ablöst. Auf seinem linken Auge sind ihm acht Prozent Sehkraft geblieben.

«Die Kinder auch menschlich etwas lehren»

Momentan ist der Zustand stabil. Neukom muss nicht mehr jede Woche, sondern nur noch alle paar Monate zur Augenkontrolle. «Wenn man die Netzhautablösung nicht in den Griff bekommen hätte, hätte es Probleme geben können», erzählt er. Er benötigt Augentropfen für die Befeuchtung und eine Salbe für die Nächte. «Die Iris ist angenäht, die Fäden stehen etwas heraus. Das kratzt und führt manchmal zu einer Rötung.»

Abgesehen von der Lichtempfindlichkeit beeinträchtigt ihn das beschädigte Auge nicht mehr. Auch beim Lernen und am Computer nicht. Denn Neukom hat sich entschieden, wie seine berufliche Zukunft nach dem Eishockey aussehen soll: Der Rapperswiler möchte Primarlehrer werden. «Ich habe lange überlegt. Diese Idee hatte ich dann nach dem Rücktritt.» Er sei geduldig mit Kindern und gebe gerne etwas weiter, «auch von meiner Lebenserfahrung – die Kinder kann man auch menschlich etwas lehren». Zudem gebe es auch an der Schule eine Art Leistungskultur, zieht er den Vergleich mit dem Profisport. «Man kann die Kids fordern und fördern.»

Neukom haderte und kam mental an den Anschlag

Weil der gelernte Maurer keine Matura gemacht hat, muss er eine Aufnahmeprüfung absolvieren für die PH, die Pädagogische Hochschule in Bern. Seit September bereitet er sich in einem Kurs darauf vor. Dieser wäre zwar nicht obligatorisch, doch weil es schon so lange her ist, seit Neukom letztmals die Schulbank gedrückt hat, findet er so langsam wieder in die Lern- und Schulstruktur. «Ich wollte nicht bei null anfangen, wenn das Studium startet.» Für die Aufnahmeprüfung ist Neukom, der im Vorbereitungskurs der älteste Teilnehmer ist, zuversichtlich.

Den Wechsel aus dem Profisport ins «normale» Leben hat er mittlerweile gemeistert. Die Zeit direkt nach dem Unfall sei hart gewesen, weil Neukom haderte und mental an den Anschlag kam. «Die Gefühle kamen immer wieder hoch, und ich wollte nicht wahrhaben, was passiert ist.» Weil es von einem Tag auf den anderen geschehen ist. Der Schicksalsschlag macht die Umstellung schwieriger, als wenn er sich eines Tages einfach selbst zum Rücktritt entschlossen hätte.

Erst die Geburt von Töchterchen Luna im Herbst 2023 verändert alles. Um sie kümmert er sich nun, wenn seine Verlobte bei der Arbeit ist. Die Fribourgerin Natacha (32) lernte Neukom kennen, als er bei Gottéron (2015 bis 2017) spielte. In die Region zu ziehen, wäre ohnehin mal der Plan gewesen. Jetzt ist es ein Neustart für die Familie, die es geniessen kann, weil die Wochenenden ohne Spiele ganz ihr gehören. «Ich freue mich aufs Leben nach dem Hockey.» Nur manchmal noch schleicht sich der Gedanke an, dass er noch spielen könnte, wäre der Unfall nicht passiert. «Dann vermisse ich die Jungs und die Garderobe.»

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