Was für ein Abend, was für ein Drama, was für ein Happy End! Die Schweiz gewinnt zum dritten Mal in der Neuzeit nach 2013 und 2018 eine WM-Medaille.
Und dieses Mal sind es nicht die ungeliebten Schweden, die uns im Final ärgern werden. Uns zweimal vor der Gold-Sonne standen und gegen die wir zuletzt 16 Mal in Folge verloren haben. Sondern die Tschechen, gegen die wir die letzten drei WM-Spiele gewonnen haben. Die uns liegen. Was sind das für Aussichten!
Die Schweizer sind von der ersten Sekunde bereit, agieren entschlossen, aufsässig, mutig. Das erste Drittel ist ein Traum, eine Schweizer Hockey-Symphonie. Sie decken Kanada-Goalie Jordan Binnington mit Schüssen ein, lassen vor dem eigenen Tor kaum etwas zu.
Im Powerplay zugeschlagen
Und wenn doch mal einer einen Fehler macht, ein Kanadier durchbricht, ist der supercoole Leonardo Genoni zur Stelle. Im Powerplay legt die Nati dann vor. Gleich doppelt. Zuerst (16.) zeigt Kevin Fiala einmal mehr Präzisionsarbeit, hämmert den Puck unters Lattenkreuz.
Es ist Fialas siebter Treffer an dieser WM – ein Kunstwerk von einem Tor. Auf welches Nino Niederreiter zwei Minuten später das 2:0 folgen lässt. Der Churer gibt einem kernigen Schuss von Roman Josi den entscheidenden Richtungswechsel – ein perfektes und nicht zu verteidigendes Überzahltor.
Die Schweizer leiden füreinander
Doch es sind nicht nur die NHL-Stars Niederreiter, Josi und Fiala, die den Takt vorgeben. Sondern jeder einzelne im kompakten Kollektiv. Ein Andres Ambühl, der als 40-Jähriger auf einem Energielevel spielt, als wäre er ein Jungspund. Ein Christoph Bertschy, der die kanadischen NHL-Stars mit seinem Speed immer wieder vor Probleme stellt. Ein Calvin Thürkauf, der seine Gegenspieler durchschüttelt, Zweikämpfe gewinnt. Ein Gaëtan Haas, der in Unterzahl herumhüpft, als wäre sein Name Programm und Schüsse blockt, wie ein Irrer. Die Liste liesse sich noch beliebig erweitern.
Ab dem zweiten Drittel sind die Verhältnisse dann etwas weniger einseitig, die Kanadier versuchen in diesen WM-Halbfinal zu finden, auch begünstigt durch ihr erstes Powerplay. Die Schweizer geraten vermehrt unter Druck, aber lassen vorerst nichts anbrennen. Überstehen auch eine zweite Strafe, aber kassieren im Anschluss an diese, als die Beine der verteidigenden Spieler allmählich blau sind, das 1:2.
Höchst unglücklich: Der in einem Zweikampf beschäftigte Andrea Glauser befördert den Puck mit dem Schlittschuh ins eigene Tor. Titelverteidiger Kanada ist wieder dran. Die Nati muss zwar leiden, aber lässt sich nicht erdrücken, hält dagegen, kann auch immer wieder für Entlastung sorgen. Hat durch Fiala das 3:1 auf dem Stock. Die Sache spitzt sich zu.
Ausgleich kurz vor Schluss
Die Spannung ist kaum noch auszuhalten. Immer wieder blocken die Eisgenossen tapfer Schüsse, verteidigen heroisch das eigene Tor, in dem der grandiose Genoni immer mehr zum Hauptdarsteller wird. Es geht gut, bis Ambühl bei einer Befreiungsaktion den Puck übers Plexiglas lupft. Dafür eine Strafe für Spielverzögerung erhält – und die Kanadier durch NHL-Saurier John Tavares in Überzahl doch noch ausgleichen, als die Nati den Final und die Medaille bereits vor Augen hat.
Es geht in die Verlängerung. Ein Thriller – und wer noch Nerven hat, braucht sie jetzt. Weil es immer wieder vor Genoni brennt. Aber auch die Nati hat ihre Möglichkeiten zur Entscheidung. Lässt einen immer wieder den Atem anhalten. Es bleibt ein Dauerzustand, denn es geht ins Penaltyschiessen.
Dieses beginnt zunächst schlecht, weil Jungstar Connor Bedard die Kanadier in Führung bringt. Doch danach macht Genoni den Laden dicht und Fiala trifft souverän zum Ausgleich. Zum Matchwinner wird dann ZSC-Stürmer Sven Andrighetto, der bei seinem Versuch den Puck herrlich im Netz unterbringt. Das fantastische Happy End ist Tatsache! Nun gehts morgen gegen Tschechien um Gold.