Es gibt Spieler, die mit Schwalben nachhelfen, um eine Strafe des Gegenspielers zu provozieren. Es gibt aber auch Spieler wie Enzo Guebey (24). Der Verteidiger des HC Davos intervenierte im Spiel gegen Bern (2:4) beim Schiedsrichter, dass ihn sein Gegenspieler Thierry Schild nicht gefoult habe. Sondern er selbst aus Eigenverschulden hinfiel – und so wurde die Strafe gegen den SCB-Stürmer wieder zurückgenommen.
Mit dieser heldenhaften Fairplay-Aktion hat der mit Schweizer Lizenz spielende Franzose letzte Woche für Furore gesorgt. «Ich bin stolz darauf, dass ich dies getan habe, obwohl es nicht mein Ziel war, dass nun alle darüber sprechen. Aber es gibt mir das Gefühl, das Richtige getan zu haben», sagt er mit etwas Abstand. Auch beim HCD hätten alle positiv reagiert: «Niemand war sauer auf mich.»
Die Werte aus dem Elternhaus
Guebey würde es sofort wieder tun, «denn ich möchte nicht bescheissen. Ich glaube an Karma und daran, dass man es zurückerhält, wenn man sich korrekt verhält.» Er sei zwar besessen davon, zu gewinnen, «aber ich möchte am Abend nicht mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass ich nur gewonnen habe, weil ich beschissen habe.» Mit diesen Werten sei er auch von seinen Eltern erzogen worden.
Es sind bemerkenswerte Worte. Umso mehr, da Guebey eigentlich keiner ist, der seine Gegenspieler mit Samthandschuhen anfasst. Im Gegenteil, der 30-fache französische Nationalspieler geht diesen durchaus unter die Haut und ist gelegentlich auch auf der Strafbank anzutreffen. «Ich versuche, so hart wie möglich zu spielen, denn ich bin nicht so talentiert wie andere und kann irgendwelche verrückte Dinge auf dem Eis aufführen», sagt er entwaffnend ehrlich.
Eishockey statt Ski
Wie sehr diese Fairplay-Heldentat dennoch zu Guebey passt, ist anhand seiner Biografie zu erfahren und durch Erkundigungen bei Weggefährten. Aufgewachsen ist er in Saint-Gervais-les Bains, das am Fusse des Mont Blanc, zwischen Chamonix und Genf liegt. Im örtlichen Hockeyclub der Gemeinde mit ihren rund 5600 Einwohnern beginnt er auch mit Eishockey. «Parallel dazu fuhr ich auch noch Ski, doch als ich mich entscheiden musste, wählte ich Eishockey, weil es mir mit anderen zusammen in einem Team mehr Spass machte.»
Bereits mit zwölf wechselt er zu den Junioren von Servette. Was nicht nur für ihn, sondern auch für seine Eltern Patrick und Sonia einen riesigen Aufwand nach sich zieht. Viermal pro Woche wird Enzo jeweils nach der Schule nach Genf und wieder zurück chauffiert. Pro Weg macht das jeweils rund eine Stunde. «Ich hatte grosses Glück, sie haben viel für mich geopfert», sagt Guebey voller Dankbarkeit. Wie viel ihm seine Familie bedeutet, zeigt sich auch bei der Wahl seiner Rückennummern. Bei Servette und später bei den ZSC Lions trug er die 5, um den Geburtstag seines Grossvaters zu ehren. In Davos ist es die 12 – der Geburtstag seines Vaters.
Kein ZSC-Platz unter Crawford
Doch zurück zu Guebeys Werdegang. Als es mit dem Eishockey allmählich ernst wird, kommt er in Genf bei einer Gastfamilie unter. Mit 18 debütiert der Verteidiger dann bei Servette in der National League, doch richtig festbeissen kann er sich in den folgenden Jahren in der Mannschaft nicht und wird immer wieder in die Swiss League verliehen.
2021 unterschreibt Guebey bei der Organisation der ZSC Lions einen Zweiweg-Vertrag. «Die Struktur mit Fanionteam und Farmteam war perfekt für mich, um viel Eiszeit zu erhalten.» 58 Spiele bestreitet er in den etwas über zwei Jahren für den ZSC, 82 für GCK. Doch der ZSC-Trainerwechsel von Rikard Grönborg zu Marc Crawford vor einem Jahr ist für ihn nicht optimal. Crawford setzt auf andere, der 184 Zentimeter grosse und 90 Kilogramm schwere Verteidiger muss hinten anstehen.
«Enzo würde nie Stunk machen»
Frust kommt bei ihm rückblickend dennoch nicht auf: «Crawford hat mit offenen Karten gespielt und mir gesagt, dass ich in seinen Plänen keine Rolle spiele.» Dies bestätigt auch Guebeys Agent Georges Müller: «Enzo musste in Zürich viel hartes Brot essen, aber er hat sich nie beklagt, sondern blieb positiv und hat geduldig auf seine Chance gewartet.» Diese kommt, als beim HC Davos im Oktober der Verteidiger-Notstand ausbricht. Müller bietet seinen Schützling mit Erlaubnis des ZSC beim Rekordmeister an, zunächst leiht dieser Guebey für zwei Spiele aus. Anschliessend wird er bis Ende Saison übernommen und vor zehn Tagen unterschreibt der Franzose einen Vertrag bis 2026. «Ich bin enorm dankbar und glücklich, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe. Mein Beispiel zeigt, wie schnell es im Eishockey manchmal in die eine oder andere Richtung gehen kann.»
Gönnen mag man ihm dies auch in Zürich. «Ich habe Enzo als Spieler, aber vor allem auch als Menschen sehr geschätzt. Er ist eine gefestigte Persönlichkeit und ehrliche Haut, enorm arbeitsam und würde nie Stunk machen, um auf diese Weise seine eigene Position zu verbessern», schwärmt ZSC-Sportchef Sven Leuenberger. Der Transfer zu Davos habe für alle Sinn gemacht, «und wir wollten ihm da nicht im Weg stehen. Sicher auch, weil er so ein guter Typ ist.» Dass dem so ist, hat letzte Woche die ganze Schweiz erfahren.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | HC Davos | 30 | 28 | 57 | |
2 | ZSC Lions | 26 | 31 | 55 | |
3 | Lausanne HC | 29 | 7 | 53 | |
4 | EHC Kloten | 30 | -2 | 50 | |
5 | SC Bern | 29 | 16 | 49 | |
6 | EV Zug | 28 | 19 | 46 | |
7 | SCL Tigers | 28 | 4 | 41 | |
8 | EHC Biel | 28 | 4 | 40 | |
9 | HC Fribourg-Gottéron | 29 | -6 | 39 | |
10 | HC Ambri-Piotta | 29 | -16 | 39 | |
11 | Genève-Servette HC | 26 | 1 | 36 | |
12 | SC Rapperswil-Jona Lakers | 30 | -18 | 36 | |
13 | HC Lugano | 28 | -25 | 33 | |
14 | HC Ajoie | 28 | -43 | 23 |