Ajoie-Coach Christian Wohlwend hat sich verändert
«Ich musste lernen, mit Niederlagen und Fehlern umzugehen»

Seit dem Jahreswechsel war es klar, weil die entsprechende Option gezogen wurde. Jetzt ist es auch offiziell: Christian Wohlwend (47) bleibt auch nächste Saison Trainer bei Ajoie. Im Interview spricht er über seine Vision und wie er sich mit fremder Hilfe verändert hat.
Publiziert: 25.01.2024 um 19:12 Uhr
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Christian Wohlwend musste sich für den Job bei Ajoie neu erfinden.
Foto: Jonathan Vallat/freshfocus
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Marcel AllemannReporter Eishockey

Blick: Christian Wohlwend, wie fällt Ihre Bilanz nach einem halben Jahr bei Ajoie aus?
Christian Wohlwend: Wir sind immer noch auf dem letzten Platz, was nicht erfreulich ist. Aber wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, um in der Liga konkurrenzfähig zu sein. Bis auf vier Spiele konnten wir alle offen gestalten, verloren sie dann aber oft mit einem Tor Unterschied.

Von aussen wirkt es so, dass Sie trotz der Tabellenposition bei Ajoie in Ruhe arbeiten können.
Egal, wo wir hinkommen, wir erhalten überall viele Komplimente dafür, wie gut wir mittlerweile spielen. Nur leider nützt uns das nicht so viel, denn schlussendlich wollen wir mehr Punkte gewinnen und irgendwann nicht mehr Letzter sein. Aber dass wir nicht mehr bloss ein Punktelieferant sind, sehen alle und vor allem auch die involvierten Leute beim Klub. Jetzt geht es darum, diesen Prozess weiterzugehen und sich weiter sukzessive zu verbessern, um einen nächsten Schritt folgen zu lassen. Die Zeit dafür gibt man uns, die nötige Geduld ist vorhanden.

Was ist Ihre Vision mit dem HC Ajoie?
Zunächst gilt es, die aktuelle Saison so gut wie möglich zu meistern. Und dann geht es darum, uns auf nächste Saison punktuell weiterzuentwickeln und so zu verstärken, dass wir vom letzten Platz und nach Möglichkeit auch vom vorletzten Platz wegkommen. Natürlich streben wir das auch schon in dieser Saison an, aber noch sind wir nicht dort.

Wie sehr ist der sich für Ajoie abzeichnende Playout-Final schon in Ihrem Kopf?
Das ist schon irgendwo im Hinterkopf. Aber wir haben noch 15 Spiele, fokussieren uns auf diese und anschliessend schauen wir, in welcher Situation wir uns befinden. Wenn es so sein wird, werden wir für die Playouts bereit sein.

Würden Sie dort lieber gegen Kloten oder die SCRJ Lakers spielen?
Das ist mir egal.

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«Mit der Ligaqualifikation setzen wir uns noch nicht ausseinander.»
Christian Wohlwend
»

Sorgt es für etwas Entspannung bei Ajoie, dass die Ligaqualifikation womöglich ausfällt, weil die einzigen infrage kommenden Klubs Olten und Visp in der Swiss League grosse Probleme haben?
Damit setzen wir uns jetzt noch nicht auseinander. Nochmals: Wir haben noch 15 Spiele vor uns. Schauen wir doch erst mal, was da geschieht. Nach Verlustpunkten sind wir an Kloten dran und wenn der Hockeygott uns mal gut gesinnt ist und wir die Spiele, die wir bis anhin knapp verloren haben, fortan knapp gewinnen können, ist noch einiges möglich. Mit unseren Gedanken und unserer Energie sind wir daher bei diesen Themen.

Christian Wohlwend persönlich

Der Montreal geborene Christian Wohlwend (47) wuchs im Engadin auf. Seine Spielerkarriere führte ihn von St. Moritz aus unter anderem zu Rappi, Kloten und Thurgau. Seine Trainerkarriere startete der Stürmer beim Zweitligisten Wallisellen und Erstligisten Bülach, ehe es im Nachwuchs von Lugano weiterging. 2016 wurde er U20-Nati-Trainer und war als Assistent von Patrick Fischer 2018 auch mit von der Partie, als die Nati WM-Silber gewinnen konnte. 2019 erhielt Wohlwend in Davos seinen ersten Posten als Headcoach in der National League, wo es ihm gelang, den Verein nach der prägenden Ära Arno Del Curto zu stabilisieren. Doch wegen seiner aufbrausenden Art kam es zu Dissonanzen zwischen dem Team, HCD-Staffmitgliedern und ihm. Und so wurde Wohlwend im Januar 2023 entlassen. Im Sommer 2023 wurde er Trainer beim HC Ajoie, zeigte sich geläutert und ruhiger, musste aber im zweiten Jahr nach nur 4 Punkten aus den ersten 13 Spielen am 21. Oktober 2024 gehen.

Der Montreal geborene Christian Wohlwend (47) wuchs im Engadin auf. Seine Spielerkarriere führte ihn von St. Moritz aus unter anderem zu Rappi, Kloten und Thurgau. Seine Trainerkarriere startete der Stürmer beim Zweitligisten Wallisellen und Erstligisten Bülach, ehe es im Nachwuchs von Lugano weiterging. 2016 wurde er U20-Nati-Trainer und war als Assistent von Patrick Fischer 2018 auch mit von der Partie, als die Nati WM-Silber gewinnen konnte. 2019 erhielt Wohlwend in Davos seinen ersten Posten als Headcoach in der National League, wo es ihm gelang, den Verein nach der prägenden Ära Arno Del Curto zu stabilisieren. Doch wegen seiner aufbrausenden Art kam es zu Dissonanzen zwischen dem Team, HCD-Staffmitgliedern und ihm. Und so wurde Wohlwend im Januar 2023 entlassen. Im Sommer 2023 wurde er Trainer beim HC Ajoie, zeigte sich geläutert und ruhiger, musste aber im zweiten Jahr nach nur 4 Punkten aus den ersten 13 Spielen am 21. Oktober 2024 gehen.

Anfang Saison gab es einen heftigen Disput mit Fribourg-Trainer Christian Dubé. Doch ansonsten sind Sie im Vergleich zu Ihren früheren HCD-Zeiten im Jura richtig brav geworden.
Das würde ich auch meinen. Ich habe Ihnen schon bei unserem letzten Gespräch gesagt, dass ich geläutert bin.

Inwiefern haben Sie sich denn verändert?
Ich musste lernen, mit Niederlagen, Gegentoren und Fehlern umzugehen. Darin war ich wirklich sehr schlecht. Bei Ajoie, einem Klub, der mehr verliert, als gewinnt, was ich mir zuvor als Trainer nicht gewohnt war, durfte und musste ich das lernen. Natürlich auch in Verbindung mit der Vorgeschichte in Davos und wie ich mich anschliessend reflektiert habe. Ich habe da auch jemanden, der mich unterstützt, mit «coach to coach». Dass ich dies auf harte Art und Weise lernen durfte, dafür bin ich inzwischen sehr dankbar.

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«Ich habe mein Verhalten der heutigen Zeit angepasst.»
Christian Wohlwend
»

Was ist unter «coach to coach» zu verstehen? Gehen Sie zu einem Psychologen?
Nein, es ist kein Psychologe. Es handelt sich da um jemanden, der viel im Fussball, aber auch in anderen Sportarten tätig ist und selbst Trainer war.

Aber seinen Namen wollen Sie anonym halten?
Ja.

Wie lernt man verlieren? Das stelle ich mir anspruchsvoll vor.
Durch meinen Werdegang als Spieler und Trainer wurde ich «old school» geprägt und inspiriert und habe dies anhand dieser Erfahrungen auch zu meinem gemacht. Ich war in Davos mehr «old school» als «new school» unterwegs, mit einem Verhaltenskodex, der sich durch Lautstärke und Impulsivität auszeichnet. So hatte ich es gelernt. Aber es hat sich herausgestellt, dass dies nicht mehr zeitgemäss ist und auch mir selbst schadet. Es war letztlich auch der Grund, weshalb ich bei Davos gehen musste. Der nächste Schritt bei Ajoie war nun, mich dahingehend zu verändern und verbessern, dass mein Verhalten der heutigen Zeit angepasst ist. Ich durfte daher in meiner Persönlichkeitsentwicklung als Coach einen grossen Schritt machen.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Davos
HC Davos
30
28
57
2
ZSC Lions
ZSC Lions
26
31
55
3
Lausanne HC
Lausanne HC
29
7
53
4
EHC Kloten
EHC Kloten
30
-2
50
5
SC Bern
SC Bern
29
16
49
6
EV Zug
EV Zug
28
19
46
7
SCL Tigers
SCL Tigers
28
4
41
8
EHC Biel
EHC Biel
28
4
40
9
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
29
-6
39
10
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
29
-16
39
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
26
1
36
12
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
30
-18
36
13
HC Lugano
HC Lugano
28
-25
33
14
HC Ajoie
HC Ajoie
28
-43
23
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