Sprachbarriere, weniger Komfort, irrer Verkehr
So leben Andrighetto und Bailey in Russland

Letzten Sommer wechselte Sven Andrighetto (26) von der NHL in die KHL zum sibirischen Klub­Awangard Omsk. Im Interview spricht unser Nati-Stürmer über das Leben in Russland.
Publiziert: 04.12.2019 um 20:02 Uhr
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Neues Abenteuer: Andrighetto (l.) spielt seit dieser Saison in der KHL.
Foto: KHL
Marcel W. Perren

BLICK: Sven Andrighetto, Sie sind im letzten Sommer nach vier Jahren in der NHL zu Awangard Omsk in die KHL gewechselt. Haben Sie diesen Transfer schon einmal bereut?
Sven Andrighetto:
Nein, ganz im Gegenteil. Bei den Colorado Avalanche hatte ich in meiner letzten Saison in gewissen Spielen lediglich acht Minuten Einsatzzeit, für Omsk stehe ich teilweise 22 Minuten auf dem Eis. Das macht mir natürlich sehr viel mehr Spass. Aber das Leben hier ist ganz anders als in den USA.

Wo spüren Sie die grössten Unterschiede?
Die grösste Hürde stellt für mich persönlich die Sprache dar. Es sprechen auch in Moskau viel weniger Leute Englisch, als ich gedacht habe. In unserem Team reden neben den Ausländern einzig die Russen Englisch, die irgendwann in Nordamerika gespielt haben. Aber unser russischer Assistenz-Trainer spricht zum Glück so gut Englisch, dass er die Ansprachen des kanadischen Cheftrainers Bob Hartley übersetzen kann. Und mir hilft in meinem russischen Alltag neben dem Eis oft auf die Übersetzer-App auf meinem Handy.

«Die meisten Spieler funktionieren wie Soldaten»

In der NHL geniessen die Spieler auf ihren langen Reisen sehr viel Komfort. Ist das in der KHL auch so?
Wir kriegen hier weniger Extrawürste gebraten. In der NHL ist es üblich, dass man nach einem Spiel ohne grosse Sicherheits- und Zoll-Kontrollen in ein Charterflugzeug steigt. Wir fliegen hier zwar auch mit Chartern, aber wir müssen uns vor der Sicherheitskontrolle genau wie alle anderen Menschen in der Reihe anstellen.

Und das lassen sich russische Eishockey-Stars ohne zu murren gefallen?
Ich habe hier noch nie einen Spieler gehört, der sich über etwas beschwert hat. Die meisten russischen Spieler funktionieren wie Soldaten. Der Trainer kann noch so hart sein, es wird ohne zu motzen das getan, was der Chef vorgibt.

Ist auch die Spielweise in Russland besonders hart?
Ich muss zugeben, dass ich mir das Niveau hier ganz anders vorgestellt habe. Wenn man als Schweizer an Eishockey und Russland denkt, dann kommen uns wohl als Erstes all die brillanten Stocktechniker und pfeilschnellen Schlittschuhläufer in den Sinn. Aber obwohl die russischen Spieler durchs Band weg hervorragend ausgebildet werden, kommen diese filigranen Elemente in dieser Liga kaum zum Tragen. Die meisten Spiele kommen einem riesigen «Chrampf» gleich, es wird mehr Eishockey gearbeitet als gespielt. Aber dank unserem harten, aber im Umgang mit uns Spielern sehr fairen Coach Bob Hartley sind wir gut darauf vorbereitet.

«Wir haben uns sehr gut eingelebt»

Wegen des Stadion-Umbaus spielt Ihr Klub zurzeit in der Nähe von Moskau. Sie wohnen deshalb mit Ihrer Freundin, dem US-Model Bailey Cook, in der Hauptstadt. Wie gefällt ihr das Leben in Russland?
Wir haben uns beide sehr gut eingelebt. Wir bewohnen in einem Moskauer Hochhaus ein schönes Appartement. Ein bisschen mühsam sind lediglich meine Fahrten von Moskau in unsere Eishalle nach Balaschicha. Am Morgen komme ich zwar bei geringerem Verkehr in 45 Minuten durch, aber nach dem Training ist der Verkehr meistens derart dicht, dass ich erst nach eineinhalb Stunden wieder zu Hause bin. Aber weil mir und meiner Freundin die Wohnlage im Stadtzentrum von Moskau so gut gefällt, nehme ich das in Kauf.

Und wie kommen Sie mit den Einheimischen zurecht?
Sie sind am Anfang sehr oft gegenüber Menschen aus dem Westen misstrauisch eingestellt, was wir dann als Arroganz auslegen. Aber wenn man einmal das Vertrauen dieser Menschen gewonnen hat, kommt man hier in den Genuss von einer sehr grossen Herzlichkeit.

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