Arno Del Curto nimmt den Leser seiner Biografie mit auf eine rasante Reise durch seine Gedankenwelt. Eine Welt, in der nebst seinem steten Streben nach dem perfekten Hockey noch Platz für viel mehr ist. Die Einblicke des sechsfachen Davoser Meistertrainers sind leidenschaftlich, tiefgründig, selbstkritisch, ehrlich – und vor allem so, wie er sie ankündigt: «Kein Blabla, kein Bullshit. Das habe ich immer gefordert.»
Die ihm wichtigen Werte im Leben – Ehrlichkeit, Mut, Integrität und Freundschaft – haben auch seine Arbeit als Trainer geprägt.
Del Curto über …
… seine Abnützungserscheinungen:
Das Ende ist der Anfang des Buches. In Davos verbrachte Del Curto bis zu seinem Rücktritt 2018 atemberaubende Jahre. Die aber nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. «Ich war gesundheitlich angeschlagen, was ich damals aber nicht erkannte. Anstatt darauf zu beharren, was ich bereits Monate zuvor für richtig gehalten hatte, nämlich das Zepter zu übergeben, liess ich mich überreden, weiterzumachen.»
Del Curto weiss heute, dass er den idealen Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst hat. Und: «Bereits 2015 zeigten sich leichte Abnutzungserscheinungen. Wer über 20 Jahre auf der Überholspur rast, immer topfit und endlos glücklich ist, verliert möglicherweise das Gefühl für die eigenen Limiten.» Als ein Mensch, der nur wenig bereut, schreibt er über sein Kurz-Engagement 2019 beim ZSC: «Ich bereue diesen Entschluss, denn der ZSC und die Fans hätten einen Del Curto in Bestform verdient. Mein Auftritt war kraftlos. Ich fühlte mich seltsam leer.»
… seine «Nonkonformisten» Elik und Guggisberg:
«Der Exzess, die wilden Nächte und unangepassten Typen sind in der Zwischenzeit mehrheitlich aus dem Eishockey verschwunden. Leider. In meinen frühen Jahren beim HC Davos wurde diese Fraktion von niemandem besser verkörpert als von Todd Elik: Nicht zu bremsen. Ein absoluter Crack. Stur wie ein Esel. Sogar ich musste irgendwann einsehen, dass der Kanadier nicht leicht zu führen ist. War er spätnachts wie vom Erdboden verschwunden, entging mir das nicht immer, und manchmal fand ich ihn. Irgendwo in Davos. Halligalli. Grosses Spektakel, Spass, Übermut.»
Del Curto enthüllt auch, dass Elik der Grund war, warum er in einem Spiel gegen Lugano in der Pause wutentbrannt gegen eine Säule trat und sich dabei den Fuss brach. «Bei einem weiteren Exemplar der Nonkonformisten handelte es sich um Peter Guggisberg. (…) Ein grossartiger Spieler und stiller Rebell. Leicht hätte er es in die NHL geschafft: Kein Thema für ihn, dieses Korsett war ihm zu eng. (…) Nicht nur Guggi, auch andere dem HC Davos nahestehende Menschen konnten von der Toleranz des Chefs der Davoser Polizei profitieren.»
… Weihnachten auf einer Parkbank mit Frau und Tochter:
Die Business-Idee einer Telefonmarketing-Firma bescherte Del Curto Ende der 80er-Jahre einen Schuldenberg von 400'000 Franken. «Ich arbeitete als Trainer in Herisau und Luzern, hatte Frau und Kind zu versorgen, musste einen grossen Schuldenberg abtragen. Im Alltag lebten wir als Familie unter dem Existenzminimum und kamen knapp über die Runden. Jahrelang. In dieser Phase besuchte ich mit meiner kleinen Tochter Stéphanie am späten Nachmittag des 24. Dezember das Hallenbad im Säntispark. Wir waren die einzigen Gäste. Ich wusste: In Millionen von anderen Familien wird bald das Festessen serviert, und es werden die Geschenke ausgepackt. Die Erkenntnis, dass wir nichts hatten, traf mich mit ziemlicher Wucht. Als ich mit Stéphanie auf den menschenleeren Parkplatz trat, wartete meine damalige Frau Jacqueline mit drei Scheiben Fleischkäse auf uns. Auf einer Bank sitzend, assen wir unser Weihnachtsessen.»
… Todesangst in Nigeria:
Ende der 70er-Jahre unterschrieb Del Curto als Spieler einen Vertrag bei den GCK Lions. Mit der Bedingung, dass ihn der Präsident, ein erfolgreicher Bauunternehmer, auch in seinem Betrieb beschäftigte und baldmöglichst in seinen Aussensitz nach Nigeria schickte. «Es war eine aufregende Zeit, eine Lebensschule.
Ein Zwischenfall blieb mir besonders gut in Erinnerung, weil er brutal endete. Bei den Löhnen fehlten umgerechnet ein paar Franken. Samt einigen Adlaten im Schlepptau kreuzte der ungekrönte König bei mir auf. Nach fünf Minuten hatte ‹Mister Allmächtig› einen Schuldigen ausgemacht, und meine Proteste verhallten ungehört, als der besagte Mann nach draussen geschleppt wurde. Die Geschichte hatte eine Scheisswende genommen. Wenig später war ein markerschütternder Schrei zu hören. Ich vermute, sie hatten dem vermeintlichen Dieb die Hand abgehackt.»
Del Curto machte sich aus dem Staub und flog unversehrt in die Heimat zurück.