Mauro Jörg spielte 14 Jahre mit Herzfehler
«Es ist eine Erlösung, dass alles gut gegangen ist»

Ein Herzfehler zwang Mauro Jörg im Frühling zum Karriereende. Die Verarbeitung fand unter anderem auf Campingplätzen in Italien statt.
Publiziert: 28.01.2025 um 13:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2025 um 14:00 Uhr
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Mauro Jörg ist im September nach Graubünden zurückgekehrt.
Foto: MARCEL ALLEMANN

Auf einen Blick

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Marcel AllemannReporter Eishockey

Das fünfte Playoff-Halbfinalspiel zwischen Fribourg und Lausanne im April 2024, für Mauro Jörg (34) endet es nicht auf dem Eis. «Ein gegnerischer Stock hatte mich beim Auge getroffen, und ich konnte, weil es anschwoll, nicht mehr richtig sehen», erzählt er. Und so muss er in die Kabine. Verfolgt dort den Rest des Spiels via TV und weiss, als Fribourg letztlich mit 2:4 verliert und ausscheidet: «Für mich wars das.»

Nur wenige wussten Bescheid

2010 wurde bei Jörg ein Herzfehler diagnostiziert. Dieser war damals zwar zunächst noch nicht einschneidend für seine Karriere, aber bedurfte fortan einer jährlichen Kontrolle. Das ging 13 Jahre lang gut, bis im Oktober 2023 die Werte schlechter wurden und der ärztliche Rat kam, den Rücktritt anzustreben, da das Risiko steige. Drei Monate später entschied Jörg, die Konsequenzen zu ziehen und zum Saisonende abzutreten, weihte aber einzig sein Umfeld und einige ihm nahestehende Teamkollegen ein.

«Ich wollte nicht zum Gesprächsthema werden, das hätte weder mir noch der Mannschaft unmittelbar vor den Playoffs etwas gebracht», begründet Jörg sein Stillschweigen. Und so kommt es, dass die Karriere des fünffachen Nationalspielers an jenem Abend im April 2024 mit lädiertem Auge in der Fribourg-Kabine auf fast schon einsame Weise zu Ende geht und dies auch kaum jemand weiss. Erst drei Tage später wird die Medienmitteilung verschickt.

Als Del Curto Angst bekam

Als Blick Mauro Jörg diese Woche in Chur trifft, ist er gut drauf, lacht viel. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, das ihn gezwungen hat, seinen geliebten Beruf als Eishockeyspieler, der ihn von Chur aus nach Lugano, Rappi, Davos, nochmals Lugano, Lausanne und schliesslich Fribourg führte, vorzeitig aufzugeben. Sondern ist mit sich und der Hockeywelt im Reinen. «Ich bin dankbar für meine Karriere und dafür, dass trotz meines Herzfehlers alles gut ging. So gesehen war der Rücktritt letztlich auch eine Art Erlösung», sagt er. 

Sein Herzfehler war zwischendurch auch immer wieder mal bei Verträgen ein Thema. So etwa bei Davos, wo er seine beste Zeit erlebte, 2015 Meister wurde, aber 2018 eine Vertragsauflösung mit ihm angestrebt wurde, weil es sein Trainer und Mentor Arno Del Curto nicht mehr verantworten wollte. «Das hat er zumindest so gesagt, aber wenn ich in jener Saison 30 Tore erzielt hätte, wäre es vielleicht auch anders gewesen», sagt Jörg mit einem Schmunzeln. Auch Ambri sah in der Folge von einem Engagement ab, einen Vertrag erhielt er stattdessen bei Lugano. Allerdings mit dem Zusatz, dass Jörg die volle Verantwortung trage. Letztendlich nahm er das Risiko in all den Jahren ohnehin stets auf sich.

Tragische Fälle stets ausgeblendet

In seinem jetzigen Leben ist Jörg nicht eingeschränkt, auch nicht beim Sport. Nur beim Hockey auf Profi-Intensität hätte es für ihn früher oder später gefährlich werden können, «wegen der Checks und weil man den Puls ständig rauf- und runterjagt», erklärt er. Eishockey sei bei einer solchen Konstellation einer der ungünstigsten Sportarten überhaupt, und wäre er jetzt nochmals ein Bub, würde man ihm anhand des heutigen Wissensstands wohl von Anfang an davon abraten, schätzt er. Jörg kriegte es auch mit, als gelegentlich Sportler mit einem Herzproblem auf tragische Weise verstarben, «aber solche Dinge habe ich stets versucht, auszublenden, und darauf vertraut, was die Ärzte mir sagten».

Nach dem unfreiwilligen Rücktritt brauchte Jörg etwas Abstand. Diesen verschaffte er sich unter anderem, als er mit seinem Hund in einem VW-Bus eine Italien-Reise machte, zwei Wochen von Campingplatz zu Campingplatz zog. Im September ist er dann wieder in seinem Elternhaus im Domat/Ems GR eingezogen, weil er ein Praktikum in einem Treuhandbüro in Chur machen konnte und als temporärer Mitarbeiter noch immer dort ist.

Vom NHL-Draft im Internet erfahren

Doch schon bald wird er seine Koffer erneut packen und zu seiner Freundin Jana ziehen, die in Zürich lebt und arbeitet. Dort will er sich umsehen, was sich für Möglichkeiten ergeben. Ihn interessiert die Immobilienbranche, ein Handelsdiplom hat Jörg bereits in der Tasche. Aber es reizt ihn auch eine Tätigkeit im Sportbereich, und da kann er sich verschiedene Formen vorstellen. Trainerkurse hat der Ex-Profi bereits absolviert.

Als Hockeyspieler war Mauro Jörg lange damit beschäftigt, seine Rolle zu finden. Einst spielte er in der U20-Nati an der Seite von NHL-Star Nino Niederreiter, galt als grosses Talent und wurde 2010 in der siebten Runde von New Jersey gedraftet. «Erfahren habe ich es aus dem Internet», erinnert sich Jörg zurück. Mehr als eine einmalige Einladung zum Development-Camp und eine spannende Erfahrung entstand daraus aber nicht. Vielmehr war Jörg damit beschäftigt, seinen Ruf als ewiges Talent abzustreifen und im Lauf der Jahre zu einem wertvollen Zweiwegstürmer zu werden. Nun ist er daran, seine Rolle im Leben danach zu finden.

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