1/7

SCB-Präsident Marc Lüthi ist der Pate der Ausländer-Erhöhung.

Foto: keystone-sda.ch

Marcel Allemann

«Bieten wir Spielern aus der Slowakei oder Dänemark 150'000 Franken brutto, kommen die zu Fuss.» Das ist eine inzwischen fast schon legendäre Aussage von SCB-Präsident Marc Lüthi aus dem Jahr 2018. Damals noch in seiner Funktion als CEO des Vereins. Als er mit Vehemenz mehr Ausländer forderte, um so Druck auf die Löhne der Drittlinien- und Viertlinien-Spieler auszuüben. Und letztlich Kosten sparen und die Klubbudgets entlasten zu können.

Ab der kommenden Saison wird nach entsprechendem Beschluss der Liga im Juni 2021 in der Tat mit mehr Ausländern gespielt. Man hat sich im Zuge der Erhöhung der Liga auf 14 Teams auf sechs Ausländer geeinigt. Aber um die auf diese Saison neu geschaffenen 32 Ausländer-Jobs in der National League zu besetzen, wurden bislang noch keine Dänen oder Slowaken gesichtet, die sich zu Fuss in Richtung Schweiz befinden. Jene Vereine, die ihren fünften und sechsten Ausländer bereits verpflichtet haben, bedienten sich fast ausschliesslich in Ligen und bei Spielern, die erstens das Flugzeug als Transportmittel nehmen. Und zweitens auch dieses für ein Salär von 150’000 Franken brutto ganz bestimmt nicht besteigen werden.

Russland-Situation treibt KHL-Stars in die Schweiz

Neuzuzüge aus der KHL sind dabei besonders im Trend. Bislang wurden 16 Spieler (!) verpflichtet, die in der letzten Saison noch in der kontinentalen russischen Liga unter Vertrag standen. Die aber aufgrund der aktuellen politischen Lage für viele keine Option mehr darstellt. Im Vergleich zu ihrem Salär in Russland ist davon auszugehen, dass diese eine finanzielle Zurückstufung von mindestens 150 000 Franken über sich ergehen lassen mussten. Einerseits hat ihre Verfügbarkeit auf dem Markt die Preise gedrückt, andererseits auch die Tatsache, dass keine Liga ausserhalb der NHL KHL-Löhne zahlt. Aber in der Schweiz verdienen sie mehr als in jedem anderen westeuropäischen Land.

Unter den Neuzuzügen aus der KHL befinden sich vor allem skandinavische Stars wie Mikko Lehtonen (ZSC), Markus Granlund (Lugano) oder Joakim Nordström (Davos), aber tatsächlich auch ein Däne (Nicklas Jensen, neu bei den Lakers) und ein Slowake (Peter Cehlarik, neu bei Zug). Doch auch diese kommen nicht zu Fuss – und schon gar nicht für 150’000 Franken brutto. Die Löhne von Spielern dieser Grössenordnung bewegen sich gemäss Insidern (SonntagsBlick hat sich mit Spieleragenten und weiteren Experten unterhalten) mindestens im Bereich von 200’000 Franken, bis zu 300’000 oder gar 400’000. Und das nicht brutto, sondern netto!

Spieler aus Schweden für 250'000 Franken

Neben dem Spitzenreiter KHL gingen die Schweizer Klubs vor allem in der schwedischen SHL auf Shopping-Tour – zehn Spieler standen dort in der vergangenen Saison noch unter Vertrag. In Schweden kann man einen Topspieler gemäss Insidern ab rund 180'000 Franken netto bekommen, in den meisten Fällen werden aber auch sie sich in den Bereichen zwischen 200’000 und 300’000 bewegen. Oder auch darüber.

Die Ausländer in der National League 2022/23

Ajoie

1. Philip-Michaël Devos S (Ka, bisher)
2. Jonathan Hazen S (Ka, bisher)
3. Guillaume Asselin S (Ka, bisher)
4. Jérôme Leduc V (Ka, bisher)
5. T.J. Brennan V (USA, neu von Salzburg/ICEHL)
6. Noch offen, dazukommen wird vermutlich noch ein Stürmer

Ambri

1. Janne Juvonen G (Fi, bisher)
2. Jesse Virtanen V (Fi, neu von Färjestad/Sd)
3. Fliip Chlapik S (Tsch, neu von Sparta Prag/Tsch)
4. Michael Spacek S (Tsch, neu von Frölunda/Sd)
5. Tim Heed V (Sd, neu von Spartak Moskau/KHL)
6. Noch offen, gesucht wird ein Stürmer

Bern

1. Kaspars Daugavins S (Lett, bisher)
2. Dominik Kahun S (De, bisher)
3. Cody Goloubef V (Ka, bisher)
4. Chris DiDomenico S (Ka, neu von Fribourg)
5. Éric Gélinas V (Ka, neu von Djurgarden/Sd)
6. Oscar Lindberg S (Sd, neu von Dynamo Moskau/KHL)
Gesucht wird eine Lösung beim unter Vertrag stehenden Daugavins, ein anderer ausländischer Stürmer soll ihn ersetzen

Biel

1. Toni Rajala S (Fi, bisher)
2. Jere Sallinen S (Fi, bisher)
3. Alexander Jakowenko V (Russ, bisher)
4. Viktor Lööv V (Sd, bisher)
5. Jesper Olofsson S (Sd, neu von den SCL Tigers)
6. Harri Säteri (Fi, neu von den Arizona Coyotes/NHL)

Davos

1. Magnus Nygren V (Sd, bisher)
2. Dennis Rassmusen S (Sd, bisher)
3. Matej Stransky S (Tsch, bisher)
4. Leon Bristedt S (Sd, neu von Rögle/Sd)
5. Klas Dahlbeck V (Sd, neu von ZSKA Moskau/KHL)
6. Joakim Nordström S (Sd. neu von ZSKA Moskau/KHL)

Fribourg

1. Ryan Gunderson V (USA, bisher)
2. David Desharnais S (Ka, bisher)
3. Jacob de la Rose S (Sd, neu von Färjestad/Sd)
4. Marcus Sörensen S (Sd, neu von Djurgarden/Sd)
5. Juuso Vainio V (Fi, neu von Växjö/Sd)
6. Janne Kuokkanen S (Fi, neu von den New Jersey Devils/NHL)

Kloten

1. Éric Faille S (Ka, bisher)
2. Lucas Ekestahl-Jonsson V (Sd, neu von Rögle/Sd)
3. Jonathan Ang S (Ka, neu von Thurgau)
4. Juha Metsola G (Fi, neu von Ufa/KHL)
5. Miro Aaltonen S (Fi, neu von Podolsk/KHL)
6. Arttu Ruotsalainen S (Fi, neu von den Buffalo Sabres/NHL)

SCL Tigers

1. Alexandre Grenier S (Ka, bisher)
2. Harri Pesonen S (Fi, bisher)
3. Aleksi Saarela S (Fi, bisher)
4. Vili Saarijärvi V (Fi, neu von Lukko/Fi)
5. Sami Lepistö V (Fi, neu von Lulea/Sd)
6. Marc Michaelis S (De, neu von Toronto Marlies/AHL)

Lausanne

1. Martin Gernat V (Slk, bisher)
2. Cory Emmerton S (Ka, bisher)
3. Jiri Sekac S (Tsch, bisher)
4. Mark Barberio V (Ka, zurück nach Leihe zu Bars Kazan/KHL)
5. Robin Kovacs S (Sd, neu von Örebro/Sd)
6. Miikka Salomäki S (Fi, neu von HIFK Helsinki/Fi)
Es dürfte noch Bewegung geben, für Barberio wird ein Abnehmer gesucht, zudem will Lausanne mit sieben Ausländern starten

Lakers

1. Emil Djuse V (Sd, bisher)
2. Roman Cervenka S (Tsch, bisher)
3. Andrew Rowe S (USA, bisher)
4. Maxim Noreau V (Ka, neu von den ZSC Lions)
5. Jordan Schroeder S (USA, neu von Jokerit Helsinki/KHL)
6. Nicklas Jensen S (Dä/Ka, neu von Jokerit Helsinki/KHL)

Lugano

1. Daniel Carr S (Ka, bisher)
2. Troy Josephs S (Ka, bisher)
3. Mark Arcobello S (USA, bisher)
4. Oliwer Kaski V (Fi, neu von Omsk/KHL)
5. Mikko Koskinen G (Fi, neu von Edmonton Oilers/NHL)
6. Markus Granlund S (Fi, neu von Ufa/KHL)

Servette

1. Henrik Tömmernes V (Sd, bisher)
2. Sami Vatanen V (Fi, bisher)
3. Daniel Winnik S (Ka, bisher)
4. Valtteri Filpulla S (Fi, bisher)
5. Linus Omark S (Sd, zurück nach Leihe von Lulea/Sd)
6. Noch offen, gesucht wird ein Stürmer

ZSC Lions

1. Justin Azavedo S (Ka/Por, bisher)
2. Garrett Roe S (USA, bisher)
3. Mikko Lehtonen V (Fi, neu von St. Petersburg/KHL)
4. Lucas Wallmark S (Sd, neu, zuletzt bei ZSKA Moskau/KHL)
5. Simon Hrubec G (Tsch, neu von Omsk/KHL)
6. Noch offen, gesucht wird ein Stürmer

Zug

1. Jan Kovar S (Tsch, bisher)
2. Christian Djoos V (Sd, bisher)
3. Niklas Hansson V (Sd, bisher)
4. Carl Klingberg S (Sd, bisher)
5. Brian O’Neill S (USA, neu von Jokerit Helsinki/KHL)
6. Peter Cehlarik S (Slk, neu von Omsk/KHL)

Neu bei Zug: Peter Cehlarik.

keystone-sda.ch

Ajoie

Ambri

Bern

Biel

Davos

Fribourg

Kloten

SCL Tigers

Lausanne

Lakers

Lugano

Servette

ZSC Lions

Zug

Auf günstiges ausländisches Personal wird nach aktuellem Stand der Dinge bei den zusätzlichen Ausländern in der National League nur in seltenen Einzelfällen zurückgegriffen. Etwa bei Ajoie mit dem Engagement des Kanadiers T.J. Brennan (zuletzt Salzburg) oder den SCL Tigers durch den Deutschen Marc Michaelis (zuletzt Toronto Marlies/AHL), die im Vergleich zu den KHL-Stars wahre Schnäppchen sind. Jedoch sicher auch mehr als 150’000 brutto verdienen.

Das eindrückliche Beispiel der Lakers

Aber die Verlockung, prominentes ausländisches Personal zu holen, um sich in der Liga sportlich behaupten zu können, ist für die Vereine aufgrund der Erhöhung der Ausländerzahl und der aktuellen Begebenheiten auf dem Markt gross. Erschreckend gross. Denn man benötigt keinen Abschluss als Finanzexperte, um zum Ergebnis zu kommen, dass die Mannschaften dadurch sicher nicht billiger, sondern teurer werden. Zumal selbst ein günstiger Ausländer mit einem Nettosalär von 150’000 Franken wegen der Quellensteuer und weiteren Zusatzleistungen wie Material, Wohnung, Auto und Flügen in Tat und Wahrheit mindestens das Doppelte kostet. Und deshalb für den Bruttolohn immer mindestens mal 2 gerechnet werden muss.

DCX STORY: doc7l0p7orwrkkxdqphbvf [Transferübersicht der 14 NL-Klubs 2022]

Dazu ein simples Beispiel. Während es bei vielen Vereinen noch etwas unübersichtlich ist, wen der 5. und 6. Ausländer eigentlich ersetzen soll, ist es bei den Lakers klar. Sie haben mit Stürmer Marco Lehmann (Bern) und Verteidiger Igor Jelovac (Lausanne) zwei Schlüsselspieler abgegeben. Die beiden dürften den Verein gemeinsam eine Jahreslohnsumme von rund 300’000 Franken brutto gekostet haben. Steuern und ihre Wohnung bezahlen sie als Schweizer Spieler selbst. Ersetzt wird dieses Duo faktisch durch die neuen Ausländer Nicklas Jensen (Stürmer, Jokerit Helsinki) und Maxim Noreau (Verteidiger, ZSC Lions). Diese dürften im Minimum eine Bruttosumme von 900’000 (gemeinsamer Nettolohn von rund 450’000 x 2 für die erwähnten Zusatzleistungen) veranschlagen. Das heisst: Ihre Ausländer Nummer 5 und 6 müssten zu Mehrkosten von rund 600’000 Franken führen.

Und das bei Rappi, einem Verein, der sich in den letzten Jahren unter der topsoliden Führung von CEO Markus Bütler den Ruf erarbeitet hat, ein wirtschaftlich vernünftiges Hockeyunternehmen zu sein, das keine finanziellen Wagnisse eingeht. Bestätigen will Bütler diesen happigen Betrag von 600'000 Franken übrigens nicht, er macht geltend, dass man dies nicht eins zu eins rechnen könne (siehe Interview nächste Seite).

«Die kommerzielle Verantwortung trägt jeder selbst»

Natürlich wollten wir von Marc Lüthi, dem mutmasslichen Paten der Ausländererhöhung wissen, wo sie denn nun sind, diese Dänen und Slowaken, die für 150 000 Franken brutto zu Fuss kommen. «Das habe ich nicht zu sechs Ausländern gesagt, sondern ab einer Zahl von zehn Ausländern aufwärts. Ab da würde es wirtschaftlich interessant», wehrt er sich. Er hält auch fest, dass der Schweizer Markt gar nicht genug Spieler hergebe – mit nur vier Ausländern für 14 Mannschaften. Dass nun bei der Verpflichtung von Topstars einige Vereine keine Grenzen mehr zu kennen scheinen (damit sind nicht die Lakers gemeint), kommentiert Lüthi wie folgt: «Jeder hat neben der sportlichen eine kommerzielle Verantwortung für sich selbst.» Beim SC Bern würde diese wahrgenommen.