Als Klasse-Handballer war Stefan Schärer im linken Couloir unterwegs. Ein angriffslustiger Flügel mit Abschlussqualität. Auf dieser Position brachte er es auf 204 Länderspiele und 533 Tore. Als Präsident des Schweizer Eishockey-Verbands (SIHF) wählt er bevorzugt den direkten Weg, ab durch die Mitte. Damit sorgt er im Mikrokosmos des nationalen Eishockeys mit den in Stein gemeisselten Machtstrukturen und Partikularinteressen für Ärger – insbesondere bei den übermächtigen Vertretern der National League.
Präsident Schärer (59) erfährt, was vor ihm schon Michael Rindlisbacher und Marc Furrer erfahren mussten: Seit der Gründung der National League AG (2020) und der Abspaltung von Swiss Ice Hockey haben die Verbandspräsidenten mehr oder weniger die Funktion eines konstitutionellen Monarchen: Krone tragen ja, regieren nein. Der Präsident soll sein Haus in Ordnung halten und zwischen den Fronten vermitteln – für die National League ist er aber nur ein Frühstücksdirektor, der sich vom Tagesgeschäft fernhalten soll. Tut er das nicht – so wie Schärer – regt sich auf Klub-Ebene sofort erbitterter Widerstand. Mittlerweile wird schon über seine Absetzung diskutiert.
Schärer habe die Gräben zwischen Liga und Verband noch vertieft, statt diese zuzuschütten, ist einer der meistgenannten Vorwürfe, die im Dunstkreis der National League gerade laut werden. «Das ist erstaunlich», sagt Schärer. «Wir haben jetzt wieder einen monatlichen Austausch, operativ auf Ebene der Geschäftsführer und strategisch zwischen dem Präsidium der National League und dem Verwaltungsrat des Verbandes.»
Zuletzt hatte Schärer die Branche quasi aus dem Sommerloch gerüttelt, als er sich direkt an die Präsidenten der NL-Klubs wandte, um sportstrategische Themen zu erläutern und so die Sportdirektoren und Geschäftsführer rechts überholte – was diesen gar nicht in den Kram passte. «Diesen Kontakt habe ich aufgenommen, weil das die 14 wichtigsten und grössten Vereine im Schweizer Eishockey sind. Die präsidiale Ebene ist dabei die gleiche strategische Flughöhe, strategische Entscheide von nationaler Dimension sollten auf dieser Flughöhe diskutiert werden dürfen, das wurde mir so auch von verschiedenen Präsidenten vermittelt.»
War Bloch nur ein Bauernopfer?
Als Schärer im August den SIHF-Geschäftsführer Patrick Bloch vor die Tür stellte, hiess es, das sei bloss ein Bauernopfer gewesen, um die eigenen Schwächen durch ein Ablenkungsmanöver zu kaschieren. Schärer dazu: «Ich bin da, um den Verband weiterzubringen. Das Schweizer Eishockey soll auch in 10 bis 20 Jahren noch ein erfolgreiches Produkt sein, so sehe ich meine Aufgabe als Präsident. Nach einer Analyse im letzten Herbst haben wir beschlossen, die Kernstrategie 2030 zu erarbeiten, die Ziele dafür haben der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung gemeinsam festgelegt. Auf dieser Basis wurde danach im Verwaltungsrat entschieden, dass man für die Umsetzung ab 2025 einen neuen Geschäftsführer mit anderen Fähigkeiten einsetzen möchte. Ein normaler Prozess, wie er in vielen Firmen laufend stattfindet.»
Die Fachkompetenz fehlt – ein erstaunlicher Vorwurf
Schärer wird auch vorgeworfen, er verfüge als ehemaliger Handballer nicht über die nötige Fachkompetenz, um die Probleme des nationalen Eishockeys zu lösen. Zudem lasse er sich von den falschen Leuten beraten. Ein einigermassen erstaunlicher Vorwurf: Dass Schärer nicht direkt vom Fach ist, wusste man bereits, als man Schärer erst für das Amt des Präsidenten vorgeschlagen und dann gewählt hatte – mit der Zustimmung der Klubs der National League notabene. «Wir haben kompetente Personen aus allen Regionen und Ligen des Verbandes im Verwaltungsrat des Verbandes und zudem eine Geschäftsleitung, die das Business auf allen Ebenen bestens kennt. Auf diesen Ebenen werden Entscheide gefällt und umgesetzt, das ist auch hier ein Mannschaftssport. Klar – die letzte Verantwortung liegt dann – wie bei allen Verbänden und Firmen üblich – beim Präsidenten des Verwaltungsrats», sagt Schärer.
Im Visier der Liga – das ist eine Auszeichnung für Schärer
Erst ein Jahr im Amt – und schon auf der Abschussliste? Eigentlich eine Auszeichnung für Schärer. Wenn er die Problemzonen des nationalen Eishockeys (Swiss League, kein regelmässiger Auf-/Abstieg, Nachwuchs) anpacken will, geht das nur über die Konfrontation mit den Entscheidungsträgern der National League.
Bald muss zudem ein neuer TV-Vertrag ausgehandelt werden (läuft bis 2027). Vielleicht lösen sich einige der Probleme dann wie von selbst. Dann zum Beispiel, wenn der TV-Partner auf einer Annäherung an die Swiss League und einem garantierten Auf-/Abstiegsprozedere ohne willkürliche Vorschriften und Sicherheitsnetzen bestehen würde.