Er bewegte sich auf der grossen Bühne. Spielte für die Nati an sechs WM-Turnieren sowie den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City. Er wurde in seiner Karriere dreimal Meister: 1999 mit Lugano, 2001 mit den ZSC Lions und 2007 mit Davos. Crameri war einer der besten Schweizer Stürmer, ehe er sich später noch zum Verteidiger umfunktionieren liess.
Voll im Element mit Stock und Puck ist der Engadiner auch im Herbst 2022 noch. Crameri feiert zwar in knapp zwei Monaten seinen 50. Geburtstag, ist aber weiterhin im Ligabetrieb aktiv. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Gegner nicht mehr Bern oder Ambri heissen, sondern Dielsdorf-Niederhasli oder Dürnten. Und nicht mehr die Topliga seine spielerische Heimat ist, sondern die 2. Liga Ost. Im Dress seines Heimklubs EHC St. Moritz.
«Nicht mehr zu spielen, ist unvorstellbar»
«Es macht mir nach wie vor Spass», begründet Crameri die für sein Alter ungewöhnliche Freizeitgestaltung. 2008 hat der 130-fache Nati-Spieler seine Profikarriere zwar offiziell beendet. Beruflich arbeitet er heute für einen Dienstleistungsbetrieb, der sich primär um Villen-Service und Hauswartungen kümmert.
Aber den Rücktritt hat er bis heute nicht gegeben. «Gut möglich, dass ich noch eine Saison anhänge. Solange ich mich körperlich gut fühle, mithalten kann, es dem Verein hilft und mit dem Job und der Familie kompatibel ist, spiele ich gerne weiter. Ich kann mir gar nicht vorstellen, nicht mehr zu spielen!»
Es gehe ihm primär darum, seinem Heimklub etwas zurückzugeben und zu helfen. Wichtig ist Crameri dabei: «Wenn ich zur Last werden sollte oder wir genügend andere Spieler haben, ziehe ich mich sofort zurück.» Doch das sei in der 2. Liga, wo oft Beruf und Familie im Vordergrund stehen, eigentlich nie der Fall. Am vergangenen Samstag, beim 7:2-Sieg gegen Lenzerheide, waren gar nur fünf Verteidiger mit von der Partie – und Crameri leistete Doppeleinsätze.
Autogramm für den Gegenspieler
«Ich habe mich stets fit gehalten und trinke keinen Alkohol», sagt der Engadiner auf die Frage, wie das in seinem Alter möglich sei. Er betont auch, dass er, wenn das Spiel beginne, mit der genau gleichen Ernsthaftigkeit bei der Sache sei, wie während den Profijahren. «Der einzige Unterschied ist, dass ich weniger nervös bin als in einem siebten Playoff-Match oder einem Olympiaspiel.»
Dafür, dass er noch immer mit vollem Elan dabei ist, erlebt Crameri, der 2014 für ein Jahr Frauen-Nati-Trainer war, durchwegs positive Reaktionen. Natürlich daheim in St. Moritz, aber es gebe auch immer wieder Gegenspieler, die ihm Respekt zollen. «Einmal wollte sogar einer, dass ich ihm ein Autogramm auf seine Handyhülle gebe, weil seine Mutter früher ein grosser Fan von mir war», erzählt Crameri.
Gemeinsam mit Sohn Nico gespielt
Vereinzelt gebe es aber auch Spieler, die ihm auf dem Eis unschöne Worte wie beispielsweise «alter Sack» hinterherrufen oder sich etwas beweisen möchten, indem sie ihn hart angehen wollen. Doch solchen Scharmützeln geht er aus dem Weg: «Ich bin routiniert genug und kann gut antizipieren.» Und deshalb erachtet er es auch nicht als gefährlich, mit knapp 50 noch immer zu spielen. Er sei ja nicht mal der Älteste in der 2. Liga Ost, so Crameri. In der Tat: Beim EHC Uzwil spielt mit Tashi Sopa, dem Onkel von ZSC-Stürmer Kyen Sopa, sogar ein 55-Jähriger mit!
Ein ultimatives Highlight erlebte Crameri letzte Saison, als er gemeinsam mit Sohn Nico (20) beim EHC St. Moritz spielte. Als der Speaker ausrufen konnte «Tor von Nico Crameri auf Pass von Gian-Marco Crameri» sei das ein unglaublicher Moment gewesen.
Inzwischen ist Nico weitergezogen und versucht sich seit dieser Saison beim EHC Frauenfeld in der MyHockey-League (höchste Amateur-Liga). Doch Papa Gian-Marco ist auf gutem Weg, sich vom Niveau her dem Sohnemann zumindest wieder anzunähern: Der EHC St. Moritz führt die Tabelle in der 2. Liga derzeit an. «Klar ist der Aufstieg das Ziel», sagt er voller Tatendrang. Über 15 Jahre nach seinem letzten Meistertitel.