Alain Chervet erinnert sich an seinen verstorbenen Onkel Fritz (†77)
«Ihm waren seine Heldentaten von früher gar nicht so wichtig»

Für die Schweiz ist der verstorbene Fritz Chervet (†77) der beste Boxer der Geschichte. Sein Neffe Alain erinnert sich vor allem an einen bescheidenen Mann, der nicht gerne über seine grossen Taten im Ring sprach.
Publiziert: 31.08.2020 um 20:36 Uhr
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Mit Fritz Chervet (hier links 1974 in Genf gegen Garcia) ist der grösste Schweizer Boxer aller Zeiten von uns gegangen.
Foto: Keystone
Emanuel Gisi

Er mass nur 1,65 m und war trotzdem der grösste Boxer, den das Land je hatte. Fritz Chervet († 77), die «Fliege» aus Bern, mehrfacher Europameister, kämpfte in den 1970er-Jahren zweimal um den Weltmeistertitel im Fliegengewicht. Am Samstag ist der frühere Weltklasse-Fighter gestorben.

Ein trauriger Tag für den Schweizer Sport. Viel trauriger aber noch für die, die ihm nahe waren. «Es ist schwer», sagt sein Neffe Alain Chervet (30), der im Dezember 2019 seinen 20. und letzten Profi-Kampf (16 Siege, 2 Remis, 2 Niederlagen) bestritt. «Ich konnte es zuerst gar nicht glauben, als ich es erfahren habe. Diese Woche wollte ich ihn wieder einmal besuchen. Man fragt sich dann: Warum bin ich nicht einfach ein bisschen früher noch einmal vorbeigegangen?»

Einfluss auf den Neffen

Als Boxer begeisterte Fritz Chervet eine ganze Nation, den grössten sportlichen Einfluss aber dürfte er auf seinen Neffen gehabt haben. «Er war der Grund, warum ich ernsthaft zu boxen angefangen habe», sagt Alain Chervet.

Dabei erzählte Onkel Fritz, der später im Bundeshaus als Hilfsweibel arbeitete, gar nicht viel von früher. «Er wollte das nie an die grosse Glocke hängen. Für ihn waren seine grossen Taten im Ring von damals gar nicht so wichtig, nie wollte er im Rampenlicht stehen.

«Und so waren es Alain Chervets Vater und sein Onkel Ernst, die ihm von den unzähligen Trainingsstunden und Fights des Mannes, den der Volksmund nur «Fritzli» nannte, erzählten. «Wir haben reihenweise Fotoalben und Super-8-Filme, die wir immer wieder anschauten.» In Erinnerung aber bleibt ihm ein Bild, das mit Sport überhaupt nichts zu tun hat. «Als Kind war ich häufig bei meiner Grossmutter in ihrer Wohnung an der Viktoriastrasse. Da kam Fritz nach der Arbeit im Bundeshaus oft vorbei, wir haben über alle möglichen Dinge geredet. Übers Boxen nur selten.»

Eine Legende, ohne es sein zu wollen

Der Mann, der in der Öffentlichkeit keine lauten Töne spuckte, tat das auch in seiner Familie nicht. Er war zu einer Legende seines Sports geworden, ohne das sein zu wollen. «Er war darum auch selten bei meinen Fights dabei. Weil er immer das Gefühl hatte, in diesem Umfeld wollten alle wieder über seine Heldentaten von früher sprechen. Das war ihm unangenehm.»

Als er 2016 in Visp den IBF-Junioren-Weltmeistertitel holte, war der Onkel aber dabei. «Da habe ich gemerkt, wie sehr er sich freut.» Trotzdem war für Fritzlis Neffe immer klar: «So viel wie er werde ich nicht erreichen können. Aber ich habe das nie als Belastung gesehen. Der Name stand für etwas. Darum wollte ich immer auch schön boxen, technisch sauber, so wie er es damals auch gemacht hat.»

Vor allem aber etwas wird Alain Chervet in Erinnerung bleiben, wenn er an seinen Onkel Fritz denkt: «Seine Bescheidenheit. Er war ein freundlicher Mann, sehr zurückhaltend. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen dieses Bild von ihm haben. Ich hoffe, sie erinnern sich weiterhin so an ihn.»

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