Ich kenne keine Geschichte, die sich besser für ein Drehbuch von Steven Spielberg eignen würde: Das Mysterium mit den donnernden Fäusten… 70 Kämpfe, 58 Siege, 10 Niederlagen, 2 Unentschieden. Viel mehr sagt die Geschichte nicht über Fritzli aus.
Boxen, so die allgemein herrschende Ansicht, ist der Sport der Grossmäuler. Fritz Chervet war der lebende Beweis des puren Gegenteils.
Der kleine Mann mit dem riesigen Herzen war Europameister im Fliegengegewicht, boxte zweimal um die Weltmeisterschaft gegen einen der besten 50-Kilo-Fighter der Geschichte, den Thailänder Chartchai Chionoi. Im Mai 1973 wurde Fritz Chervet in Bangkok, wahrscheinlich durch einen unbeabsichtigten Kopfstoss, an der Augenbraue verletzt und musste in der 5. Runde aufgeben.
Ein Jahr später lieferte er Chionoi im Zürcher Hallenstadion über 15 Runden den besten Fight, der jemals auf Schweizer Boden stattfand. Mit ein bisschen geneigteren Punktrichtern hätte Fritzli den Ring damals als Weltmeister verlassen, so reichte es nur zu einem Unentschieden, was dem Thai den Titel liess.
Chervet stammt aus bescheidener Familie
1973 habe ich zusammen mit dem welschen Kollegen Serge Dournow ein Buch über Fritz Chervet geschrieben. Es war die härteste Arbeit meines Lebens, jedes Wort, das der kleine Fighter von sich preisgab, musste hart erkämpft werden.
Er stammte aus einer grossen Familie und aus bescheidenen Verhältnissen. Boxen war die Familientradition. Noch als Teenager kreuzte er im Boxkeller des Berner Trainer-Philosophen Charly Bühler auf. Sein Wunsch: «Herr Bühler, machen sie aus mir einen Profi.»
Charly war an der Entwicklung eines eigenen Stils. Er hasste es, wenn seine Schüler Kopftreffer kassierten. Denn immerhin traf sich in seinem Keller die halbe Berner Prominenz, die es ebenfalls nicht schätzte, mit blauen Augen zum nächsten Meeting zu erscheinen.
Schnelle Beine, unfassbare Reaktionsschnelligkeit
An und mit Fritz entwickelte Charly seinen Stil, eine fast undurchdringliche Doppeldeckung. Fritzli perfektionierte den Stil, der ihn an die Weltspitze katapultierte, was bei den blitzschnellen Fliegengewichtlern aus Asien und Südamerika schon eine sensationelle Leistung war.
Fritz Chervet: Hinter beiden Fäusten versteckt, die er fast über dem Kopf hielt, um sein Gesicht zu decken, starrte er wie ein Mungo die Cobra seinen Gegner unentwegt an, wartete geduldig auf jede Blösse. Dann – Ping, Päng, Treffer, Treffer. Seine sehr schnellen Beine, die fast unfassbare Reaktionsschnelligkeit taten den Rest.
Aus unbekannten Gründen verkrachten sich die beiden Eisenschädel Fritz Chervet und Charly Bühler leider, Fritzli trat zurück, wurde Hilfsweibel und Garderobier im Bundeshaus, teilte jedem, der sich interessierte mit, dass dies sein Traumjob sei …
An einem Kollaps verstorben
2007 ging er in Pension. Lebte in seinem Häuschen am Murtensee. Wenn ihn jemand auf seine Karriere ansprach, gab er immer die gleiche Antwort: «Ach, das war doch nicht so wichtig.»
Hin und wieder ging es nach Thailand. Zu Chartchai Chionoi, der vor ein paar Jahren an Parkinson erkrankte und starb. Fritzli liebte das einfache Leben und das Schweigen. Die letzten Jahre verbrachte er in einem Pflegeheim. Am Samstag erlitt er einen Kollaps und starb im Spital von Meyriez-Murten.
Fritz Chervet. Der grösste Schweizer Boxer aller Zeiten. Fritz Chervet der unbekannteste Champion aller Zeiten.