Sie ist die Frau im Rollstuhl, die aufs Snowboard steht und die Piste runterflitzt. Und Romy Tschopp (27) ist auch die Frau, die als Boardercross-Neuling einen Senkrechtstart hinlegt!
Die erste Schweizer Para-Snowboarderin mit offenem Rücken (Spina Bifida) ist erst seit letztem Winter in der Nati vom Behindertensport-Dachverband PluSport dabei. Aber wegen Corona fielen die meisten Rennen ins Wasser, Tschopps grosser Traum von der Paralympics-Quali für Peking 2022 schien weit weg.
Doch dann kommt die Baselbieterin im April in Colere doch noch zum Weltcup-Debüt – und fährt in Italien so gut, dass sie in der Weltrangliste sogleich auf Rang 6 geführt wird, was schon die fast sichere Paralympics-Quali bedeutet. Dabei ist sie in ihrer Einstufungs-Kategorie wohl die einzige Athletin mit Rollstuhl.
Der Start als Manko
«Das war eine riesige Überraschung, dass die Paralympics so schnell so greifbar nahe sind. Ich war vor dem Debüt sehr nervös. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Doch abgereist bin ich dann mit dem coolen Gefühl, dass ich auf gutem Weg bin», sagt Tschopp glücklich beim Blick-Besuch in ihrem Sommertraining.
Auf ihrer Terrasse hat sich die ausgebildete Fachfrau Bewegungs- und Gesundheitsförderung eine Trainingsecke mit allerlei Geräten eingerichtet. Wichtige Trainingsinhalte: Gleichgewichts- und Kräftigungsübungen für den Boardercross-Start. «Beim Rennen haben wir gesehen, dass ich am Start Zeit verliere», sagt Tschopp.
Fürs Training trägt sie wegen ihrer inkompletten Querschnittlähmung Orthesen, die ihre Füsse mit den Waden verbinden und so stabilisieren. Diese Einschränkung ist Alltag für sie – nicht Alltag ist hingegen, dass sie nicht voll ans Limit kann. Der Grund: Tschopp machte im Mai gesundheitliche Turbulenzen durch. Zuerst eine Corona-Infektion. Dann auch noch eine Bronchitis. «Es schränkt mich noch immer ein, mein Körper braucht viel Zeit für die Erholung.»
Corona-Infektion geht glimpflich aus
Wegen ihres offenen Rückens hatte Tschopp in den letzten zehn Jahren schon mehrere heftige gesundheitliche Rückschläge erlitten, verbrachte addiert mehrere Jahre im Spital. War da die Corona-Infektion ein riesiger Schock? «Meine Familie hatte schon Respekt, dass ich wieder ins Spital muss», sagt die Para-Snowboarderin, «meine Furcht war nicht so sehr das Virus an sich. Sondern die Probleme, die ich mit meinem Körper hätte bekommen können, weil ich wegen Covid ans Bett gefesselt war», schildert sie. Denn ihr System funktioniert am besten, wenn der Körper in Bewegung bleibt.
Aber Tschopp übersteht die heikle Phase. Ein Leistungstest musste zwar auf Ende Juni verschoben werden. «Er war sehr anstrengend, aber nun konnten wir die neuen Trainingspläne machen», sagt die Wintersportlerin, die nun kaum noch den Bescheid abwarten kann, ob sie schon fix in Peking dabei ist oder nicht.
Was sie im Winter ausser den Starts aber sowieso noch üben will: Den Körperkontakt im Rennen mit den Gegnerinnen. «Das war noch total ungewohnt. Da hat mir noch etwas der Arschloch-Faktor gefehlt», sagt die Sissacherin lachend, und ergänzt: «aber ich habe sofort gemerkt, dass im Rennen mein Ehrgeiz erwacht. Ich war schneller als im Training.»
Ob Tschopp die Peking-Quali schafft? Blick bleibt dran und berichtet in regelmässigen Abständen über die Para-Snowboarderin.