Nicht weniger als 43 Staaten verurteilen das Vorgehen Chinas gegen die Uiguren in der Provinz Xinjiang. Sie tragen eine am Donnerstag vor der Uno in New York (USA) verlesene Erklärung mit, die «weitverbreitete und systematische Verletzungen der Menschenrechte» gegenüber der mehrheitlich muslimischen Minderheit anprangert.
Berichte über Folter, Zwangssterilisation und sexuelle Gewalt nehmen zu, heisst es in der Erklärung, zu deren Unterzeichnern die USA, Grossbritannien, Deutschland und Italien gehören, nicht aber die Schweiz.
Bern habe seine Unterschrift zurückgezogen, berichtet das französische Auslandsfernsehen France 24. Der Grund sei das Treffen des US-Sicherheitsberaters Jake Sullivan mit dem chinesischen Chefdiplomaten Yang Jiechi vor zwei Wochen in Zürich.
Mit Blick auf Peking ist das vielleicht diplomatisch. Angesichts der Zusicherung von Bundesrat Ignazio Cassis (60, FDP) jedoch, die eigenen Werte auch gegenüber China robuster zu vertreten, wirkt es ängstlich.
Bern ist besorgt
Das Aussendepartement (EDA) schreibt auf Anfrage: «Während sich die Schweiz in der Vergangenheit verschiedenen gemeinsamen Stellungnahmen zur Menschenrechtssituation in China angeschlossen hat, verzichtete sie dieses Mal vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Gaststaat wichtiger Gespräche in der Schweiz auf einen Anschluss.» Man sei aber weiterhin besorgt über die Menschenrechtssituation in Xinjiang und anderen Teilen Chinas. Gegenüber Radio SRF bestritt der Stellvertretende EDA-Staatssekretär Johannes Matyassy den Vorwurf, Bern sei vor Peking eingeknickt.
Aussenpolitiker kommen zu einer anderen Bewertung: So sei die Bedeutung der Schweiz als Vermittlerin unbestritten, sagt SP-Nationalrat Fabian Molina (31, SP). «Diese Rolle darf aber nicht als Entschuldigung herhalten. Wenn Menschenrechte zur Debatte stehen, verbieten sich diplomatische Pirouetten.
«Für China dürfen wir keine Ausnahme machen.»
Damian Müller (36, LU), Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats und Parteikollege von Cassis, sagt: «Die Schweiz hat eine lange Tradition als Vermittlerin. Das schliesst ein klares Engagement für die Menschenrechte aber nicht aus.» Im Gegenteil sei dies einer der Gründe, einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat anzustreben. «Für China dürfen wir da keine Ausnahme machen.»
Der Entscheid, die Deklaration nicht zu unterschreiben, könnte bereits kommende Woche die APK des Nationalrats beschäftigen, wie deren Präsidentin Tiana Angelina Moser erklärt. Im November führt die APK zudem Expertenanhörungen zu der Frage durch, ob das Vorgehen Chinas in Xinjiang den Tatbestand des Genozids erfüllt.
«Es wäre nicht opportun, dieser Diskussion vorzugreifen», sagt Moser. «Dass in China die Menschenrechte aber teilweise massiv verletzt werden, darüber besteht heute kein Zweifel mehr.»