Grounding in den Herbstferien?
Piloten werfen Swiss Propaganda vor

Forderte die Pilotengewerkschaft 200 Millionen Franken mehr für vier Jahre Vertrag? Nein, sagt Aeropers. Und wirft der Swiss vor, mit «Fantasiezahlen» zu hantieren. In Kloten stehen die Zeichen auf Streik.
Publiziert: 18.09.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2022 um 17:13 Uhr
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Forderte die Pilotengewerkschaft 200 Millionen Franken mehr für vier Jahre Vertrag?
Foto: keystone-sda.ch
Tobias Marti

Im Streit um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zwischen den Swiss-Piloten und ihrer Arbeitgeberin werden riskante Manöver geflogen.

Einen Rückwärts-Looping machte diese Woche die Pilotengewerkschaft Aeropers. Sie lehnte das von der Swiss gemachte Angebot als «ungenügend» ab.

Die Airline wollte – im Vergleich zum GAV-Entwurf aus dem Jahr 2022 – 60 Millionen Franken mehr bezahlen. Diese Summe hätte sich auf eine Vertragslaufzeit von vier Jahren verteilt. Ihren Piloten wirft die Swiss vor, sie hätten 200 Millionen Franken mehr gefordert, ebenfalls für eine Vertragslaufzeit von vier Jahren.

Aeropers-Vorstand Thomas Steffen dementiert diese Angaben gegenüber SonntagsBlick: Dies sei «eine Fantasiezahl der Swiss», die jeglicher Grundlage entbehre. Die Forderung der Piloten betrug laut Steffen «deutlich weniger als die Hälfte der besagten Summe».

Swiss begründet die 200-Millionen-Rechnung gegenüber SonntagsBlick mit einer Lohnerhöhung von über zehn Prozent sowie mit Mehrkosten von weiteren zehn Prozent, die sich aus der Forderung der Piloten nach einer besseren Planbarkeit ihres Soziallebens ergeben.

Swiss-Piloten denken über Streik nach
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Millionengewinn wird getrübt:Swiss-Piloten denken über Streik nach

Falscher GAV als Basis?

Die Gewerkschaft wirft der Swiss aber noch mehr vor: Sie ziehe als Basis für die Verhandlungen den GAV-Entwurf aus dem Krisenjahr 2022 heran. Der Entwurf sei aber nie in Kraft gewesen. Deshalb rechneten die Piloten mit dem «letzten gültigen» GAV von 2018. So gesehen stelle das Angebot der Swiss eine Verschlechterung von 56 Millionen Franken dar. Steffen: «Die Zahlen der Swiss sind pure Propaganda auf Kosten der Mitarbeiter.»

Die Swiss sprach von einer «deutlichen Verbesserung» gegenüber dem Vertrag von 2018, ohne jedoch auf Nachfrage von SonntagsBlick eine konkrete Zahl zu nennen.
Wie auch immer: Der Unmut der Piloten betrifft nicht nur das Geld. Es gehe vor allem um «die Vereinbarung von Privatleben und Arbeit». Oder, wie Thomas Steffen sagt: «Ich erfahre im Dienstplan erst am 25. März, ob ich eine Woche später am 1. April frei habe.»

Aufgrund dieser Auseinandersetzung droht der Schweizer Luftfahrt nun das Grounding. Die 1150 Mitglieder der Pilotengewerkschaft wollen bald über einen Streik abstimmen: Ab 17. Oktober, just in der Herbstferienzeit, droht dann in Kloten der Stillstand. Allerdings wird hierzulande vielleicht mit Streik gedroht, zu französischen Verhältnissen kommt es dann aber doch nicht. Machen die Piloten tatsächlich Ernst?

Streik als letztes Mittel

«Wir haben ein Jahr verhandelt und geschaut, dass unsere Mitglieder trotz vertragslosem Zustand besonnen sind und sicher und zuverlässig fliegen», sagt Steffen. Der Gewerkschafter rechnet fest damit, dass die Piloten «mit grosser Mehrheit dem Streik zustimmen».

Die Beziehung zwischen Piloten und ihrer Airline kann jedenfalls als zerrüttet bezeichnet werden. «Die Sozialpartnerschaft ist am Boden», sagt Steffen. Dies betreffe längst nicht nur die Piloten, sondern auch die Techniker, die Flugbegleiterinnen oder das Bodenpersonal.

Dabei hatte sich das Luftfahrtgeschäft gerade wieder erhohlt. 67 Millionen Franken Gewinn machte die Lufthansa-Tochter im ersten Halbjahr 2022. Experten zufolge wird der Rekord-Juli in die Luftfahrtgeschichte eingehen.

Vielleicht auch bald dieser Herbst ...

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