Fedpol sammelt Beweismaterial für den Strafgerichtshof
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Kriegsverbrechen in Ukraine:Fedpol sammelt Beweismaterial für den Strafgerichtshof

Bund befragt Geflüchtete
Schweiz ermittelt wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine

Ukrainische Flüchtlinge haben dem Bundesamt für Polizei mutmassliche Kriegsverbrechen gemeldet. Nun haben Ermittler sie als potenzielle Zeuginnen und Zeugen befragt.
Publiziert: 12.06.2022 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.06.2022 um 12:34 Uhr
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Die Schweizer Bundeskriminalpolizei ermittelt wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Foto: keystone-sda.ch
Fabian Eberhard

Das Grauen von Butscha schockierte die Welt. Putins Truppen hinterliessen bei ihrem Rückzug aus der ukrainischen Stadt nordöstlich von Kiew Hunderte Leichen – grundlos erschossene Zivilisten.

Butscha ist kein Einzelfall. Die ukrainischen Behörden gehen laut eigenen Angaben landesweit von mehr als 15'000 mutmasslichen Kriegsverbrechen seit Beginn des russischen Angriffskriegs aus. Überprüfen lässt sich diese Zahl nicht. Dass in der Ukraine jedoch Kriegsverbrechen begangen werden, ist unbestritten: Folter, Vergewaltigungen, Verschleppungen. Die erdrückende Mehrheit der Taten wird russischen Aggressoren zugeschrieben.

Flüchtlinge vernommen

International laufen Bemühungen, Beweise für die Verbrechen zu sammeln. Staaten und Gerichte bereiten sich auf Prozesse vor. Und nun wird auch die Schweiz aktiv. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hat Ermittlungen eingeleitet und potenzielle Zeuginnen und Zeugen in der Schweiz befragt.

Bei den vernommenen Personen handelt es sich um Geflüchtete aus der Ukraine. Sie haben sich mit Informationen über mutmassliche Verstösse gegen das Völkerstrafrecht an den Bund gewandt. Das Fedpol hat dafür auf seiner Website ein Meldeformular für Kriegsvertriebene aufgeschaltet. Darüber hinaus hat die Bundeskriminalpolizei selbst potenzielle Zeuginnen und Zeugen ausfindig gemacht.

Fedpol-Sprecherin Mélanie Lourenço bestätigt die Ermittlungen gegenüber SonntagsBlick: «Es haben bereits mehrere Einvernahmen stattgefunden.» Zum Inhalt der Befragungen und zu den Ergebnissen macht das Fedpol keine Angaben.

Aussagen und Beweise sollen gesammelt werden

Ziel sei es, Aussagen und Beweise zu sammeln und zu sichern. Diese sollen dazu dienen, um später rasch auf allfällige Rechtshilfeersuchen – insbesondere des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag – reagieren zu können.

Im Vordergrund steht also der Austausch von Beweismaterial mit Strafverfolgern anderer Länder. Möglich wäre aber auch, dass die Bundesanwaltschaft (BA) selbst ein Verfahren eröffnet. Dann nämlich, wenn sich mutmassliche Täter von Völkerrechtsverbrechen auf Schweizer Boden aufhalten. Bis jetzt laufen aber keine solchen Verfahren. «Die Massnahmen sind langfristig ausgelegt, und es ist nicht davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten entsprechende Verfahren eröffnet werden», sagt BA-Sprecherin Rachel Strebel.

Zusammenarbeit mit Partnern im Ausland

Koordiniert werden die Bemühungen der Schweiz durch eine breit abgestützte Taskforce unter der Leitung von Bundesanwalt Stefan Blättler. Der Fokus der Taskforce liegt zurzeit vor allem auf den Bereichen Kriegsverbrechen und Ermittlungen im Zusammenhang mit Sanktionen. Die Situation werde jedoch auch im Bereich Wirtschaftskriminalität laufend analysiert und die Taskforce bei Bedarf verstärkt.

Der Bund will bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen in der Ukraine eng mit Partnern im Ausland zusammenarbeiten. Am 12. Mai reiste Bundesanwalt Blättler nach Den Haag und traf unter anderem den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan. Ziel des Besuchs war, die Zuständigkeiten der verschiedenen Behörden zu klären und die Koordination bei der Erhebung von Beweisen sicherzustellen.

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