Ausrechnen, Aushandeln und Aufhängen
So hilft der Ämtli-Plan für Paare

Was Fairness zu Hause fördert und warum zähes Verhandeln mit dem Partner romantisch sein kann.
Publiziert: 12.06.2022 um 15:51 Uhr
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Frauen leisten mehr Haus- und Familienarbeit als Männer.
Camille Kündig

Zieht ein Paar zusammen, zerren oft irgendwann Socken auf dem Sofa, leere Joghurtbecher auf dem Esstisch oder Haare im Waschbecken an der Liebe. Es fallen Sätze wie «Ich muss alles allein machen!» Oft sagt das die Frau.

Frauen leisten mehr Haus- und Familienarbeit als Männer. Das hat mit gesellschaftlichen Strukturen und politischem Willen zu tun – und hat Folgen für den Lebenslauf (siehe Seite 24). Auch generell – also wenn Lohnarbeit und unbezahlte Hausarbeit zusammengezählt werden – arbeiten Frauen mehr. Gemäss neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik leisteten Frauen im Erwerbsalter 2020 pro Woche eine Stunde mehr als Männer. Auf das Jahr macht das mehr als eine 100-Prozent-Arbeitswoche. Gratis.

«Eingeprägte Rollenbilder»

«Schuld sind eingeprägte Rollenbilder», sagt Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung des Kantons Zürich. Frauen seien vorwiegend für Arbeiten im Haushalt verantwortlich, die häufig zu erledigen sind, Männer eher für solche, die seltener anfallen. Dazu komme der Mental Load, die ewige To-do-Liste im Kopf der Frauen. Wer denkt während des TV-Abends an das Geschenk für den Kindergeburtstag? Oder daran, dass das WC-Papier ausgegangen ist?

Es erstaunt wenig, dass Frauen mit der Aufteilung der Hausarbeit laut Studien wesentlich unzufriedener sind als Männer. Helfen könnte laut Helena Trachsel eine To-do-Liste für beide – «eine, die auch das Immer-an-alles-Denken sichtbar macht». Zentral sei vor dem Zusammenziehen ein Gespräch über Verantwortlichkeiten: «Wer kauft ein, wer mistet aus, wer stellt sicher, dass die Tochter die Sporttasche mitnimmt? Am besten rechnet man den Aufwand pro Monat aus, teilt ihn auf und hält das Ergebnis schriftlich fest.» Oder: Eine Beobachtungswoche, bei der Aufgaben ehrlich notiert und später umverteilt werden. Zentral ist, dass beide die Aufteilung als fair empfinden. Studien zeigen, dass das nicht zwingend fifty-fifty ist.

Unterschiedliche Toleranzgrenzen

Auch wichtig: Standards zu definieren, da nicht jede und jeder dieselbe Toleranzgrenze hat. Etwa: Wie gross darf der Wäscheberg werden? «Das ist beziehungsinterne Verhandlungssache», so Helena Trachsel. Wer Kinder hat, könne diese mit einbinden – so lernen sie anzupacken, entlasten Mama und Papa – und sehen, dass beide Aufgaben übernehmen.

Gewisse Paare schwören auf Apps wie Flatastic oder vorgefertigte Familienplaner. Auch regelmässige «Teamsitzungen» können helfen, um zu besprechen, ob es Anpassungen braucht. Oder: Laut Therapeuten retten Haushaltshilfen Ehen. Kritiker allerdings sehen dies als «Gleichstellung für Reiche». Zudem muss die Reinigungskraft gesucht, instruiert und administrativ betreut werden – auch ein Ämtli.

Beide müssen sich darauf einlassen

Voraussetzung für eine wahrhaft faire Arbeitsteilung ist am Ende die Bereitschaft beider, sich darauf einzulassen. Und: Frauen müssen loslassen, so Helena Trachsel: «Trotz aller Mühen fällt es gewissen schwer, Verantwortungen aufzugeben.» Also: Nicht einspringen oder es aushalten, etwa wenn der Partner eine andere Auffassung von einem gesunden Abendessen hat.

Weiter empfiehlt sie eine «Planung des Verzichts». Denn mit weniger Geld auszukommen, bringe Spielraum. Ausgaben wiederum sollten prozentual zum Einkommen aufgeteilt werden. «Branchen, in denen Frauen arbeiten, werden tendenziell weniger entlohnt. Zählen sollten die Stunden, die beide für das gemeinsame Leben aufwenden.»

Budgetpläne, Listen, Verhandlungen. Ist das Liebe? «Abmachungen vermeiden ein Ungleichgewicht, aber auch Zoff.» Somit sind Ämtlipläne am Ende vielleicht fast schon wieder romantisch – und könnten so manch eine Trennung verhindern.

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