Richter: «Es war ein teuflischer Plan»
Keine Gnade für die Seefeld-Mörder

Keine Gnade für die Zürcher Seefeld-Mörder. Das Zürcher Obergericht folgte dem Antrag von Staatsanwalt Adrian Kägi und verurteilte Tobias K.zu einer lebenslangen Strafe. Das Bezirksgericht Zürich hatte 20 Jahre Gefängnis verhängt.
Publiziert: 25.08.2022 um 08:24 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2022 um 15:58 Uhr
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Tobias K. tötete einen völlig Unbekannten. Nun droht ihm eine lebenslange Strafe.
Foto: kapo zh
Viktor Dammann

Tobias K.* (29) hatte ein Zufallsopfer brutal erstochen, um seinen Knastkumpel Irvidias M.* (41) aus der Strafanstalt Pöschwies freizupressen. Nun wurde sein ursprüngliches Strafmass verschärft. Dazu verschärften die Richter auch die Strafe des Litauers. Er wurde neu nicht bloss wegen Anstiftung, sondern wegen Mittäterschaft zum Mord neu mit 17 Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Auf eine zusätzliche Verwahrung der Mörder, wie von der Staatsanwaltschaft gewünscht, verzichtete jedoch das Gericht. Die beiden Verurteilten in Fussfesseln - von sieben! Zivilpolizisten bewacht - nahmen das Verdikt reglos zur Kenntnis. Es kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. Tobias K. hatte bloss auf vorsätzliche Tötung mit einer Sanktion von 12 Jahren Freiheitsstrafe plädiert.

«Es war ein teuflischer Plan»

Gerichtspräsident Christian Prinz fand in seiner eineinhalbstündigen Urteilsbegründung überdeutliche Worte. «Der Fall wurde sauber und umfassend abgeklärt. Die Tat liess jede Menschlichkeit vermissen, es handelte sich fraglos um einen Mord.» Man stelle sich vor, welche furchtbaren Schmerzen und Todesangst das Opfer in seinen letzten Minuten erdulden musste, so der Richter weiter. «Es war», wie es der Staatsanwalt formulierte, «ein teuflischer Plan.»

Das Gericht verneinte, dass es Tobias K. um seine oder die Sicherheit seiner Familie gegangen war. «Es ging ihm nur darum, seinen Gefängniskollegen freizupressen.» Der Gerichtspräsident nahm ihm auch nicht ab, dass er bei seiner Entschuldigung ehrliche Reue empfunden habe. «Es war eine abscheuliche und widerwärtige Tat.»

Die zwei Männer lernten sich im Knast kennen und planten einen Mord. Ihr Opfer: reiner Zufall. Was wie ein schlechter Krimi klingt, geschah tatsächlich. Irvidias M.* (41) und Tobias K.* (29) lernten sich in der Zürcher Strafanstalt Pöschwies kennen und heckten einen furchtbaren Plan aus.

Das Duo drohte damit, einen Unschuldigen zu töten. In einem Brief an den Kantonsrat setzten die beiden Männer ein Ultimatum: Wird der Litauer nicht innerhalb eines Tages freigelassen, wolle man ein Zufallsopfer töten. Danach soll jeden Tag jemand sterben müssen. Nur: Die Erpressung funktionierte nicht.

IT-Fachmann sass rauchend auf einer Mauer

Am Ende musste IT-Spezialist M. S.* († 42) im Jahr 2016 sterben. K. rammte ihm ein Messer in den Rücken, als er im Zürcher Seefeld auf einer Mauer sass. Der Killer hatte sein Opfer zuvor noch nie gesehen. Dafür wurden der Litauer und der Schweizer im Jahr 2020 verurteilt. Tobias K. bekam 20 Jahre Knast – sein Komplize kassierte 16½ Jahre. Doch Staatsanwaltschaft Adrian Kägi ist das nicht genug. Er will für die beiden Männer lebenslänglich plus Verwahrung. Deshalb kommt es vor dem Obergericht zum Berufungsprozess.

Als die Horror-Tat geschieht, befindet sich Tobias K. gerade auf Hafturlaub. Im Coop beim Hauptbahnhof kauft er ein Messer. K. zögert. Trinkt sich Mut an. Nach der Tat taucht er für sieben Monate unter. Dass er der Täter ist, wissen die Ermittler schnell: Tobias K. hatte seinen Hut am Tatort liegen lassen. Am Schweissband konnte seine DNA gesichert werden.

Nach Monaten dann begeht der Killer den entscheidenden Fehler: Er will sich im Internet Waffen kaufen – und gerät an die Polizei. Bei der vermeintlichen Übergabe der Waffen klicken die Handschellen.

Er wollte Schmidheiny erpressen

Er und sein Komplize lernten sich 2014 im Gefängnis Pöschwies kennen. Tobias K. (damals 21) sass zu dieser Zeit wegen Erpressung, Freiheitsberaubung, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und Drogen ein. Der Litauer Irvidias M., weil er den Schweizer Industriellen Thomas Schmidheiny (76) aus der Holcim-Besitzerfamilie um 150 Millionen erpressen wollte.

Der Industrielle musste offenbar auch bei der Geschichte herhalten, die Irvidias M. seinem Knastbruder erzählte. Tobias K. sagte aus, der Litauer habe ihm verraten, dass er von einem Hacker belastendes Material über den Zementbaron erhalten habe.

Es gehe um Atomwaffen. Sogar Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) habe davon Kenntnis und habe ihn deswegen sogar in seiner Zelle besucht. Es sei um ein Millionen-Schweigegeld gegangen, das zu seinen Gunsten fällig werde.
In der Folge hatte Irvidias M. laut Anklage seinem Schweizer Kollegen aufgetragen, ihn freizupressen. Die beiden hatten gemäss Anklageschrift ein Erpresserschreiben an den Zürcher Kantonsrat aufgesetzt. Darin wurde gefordert, den Litauer umgehend freizulassen, ansonsten müsste ein Zufallsopfer sterben.

Litauer bestreitet Mitschuld

Als das Ultimatum verstrich, setzte Tobias K. den teuflischen Plan um und tötete den IT-Fachmann. Tobias K. hatte die Tat schon damals gestanden, jedoch betont, seinem Kumpel geglaubt zu haben.

Der Litauer jedoch bestritt jegliche Mitschuld. Man habe zwar über alles Mögliche gesprochen, doch dies sei nur «Tratsch» gewesen. Das sah das Gericht anders und verurteilte ihn zu 16½ Jahren Knast. Nun wurde die Strafe sogar noch erhöht. Tobias K. erhält eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und der Litauer muss 17 Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Von einer Verwahrung sah das Gericht bei beiden ab.

* Namen bekannt

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