12 Stockwerke, 120 Wohnungen. Und kein Lift! Seit letzter Woche müssen die Bewohner zu Fuss gehen. Auf unbestimmte Zeit. Denn ihre beiden Aufzüge weisen lebensgefährliche Mängel auf!
Am 15. Juni war der 27-jährige Mieter Niki in Spreitenbach AG im Todes-Lift ums Leben gekommen. Er öffnete die Tür, wollte in den grösseren der beiden Aufzüge treten – und stürzte elf Stockwerke tief. Die Kabine war nicht da. Der Lift steht seither still. Und jetzt wurde auch der kleinere der beiden Aufzüge stillgelegt. Weil ein vernichtendes Gutachten vorliegt.
Dieses besagt, dass beide Aufzüge seit einem Umbau im Jahr 2007 gravierende Mängel aufweisen. Es fehlt ein Geländer, eine Schachttürverriegelung ist angefeilt, und zwei Türschlösser wurden verkehrt herum eingebaut. Fazit der Ingenieure: Beide Aufzüge seien «nicht betriebssicher». Das Verriegelungs-Problem, das wohl Niki das Leben kostete, könnte wieder auftauchen.
«Eine Frage der Zeit, bis meine Mutter stürzt»
Dass nun die komplette Liftanlage «bis auf weiteres» ausser Betrieb steht, stösst den Bewohnern an der Langäckerstrasse 28 dennoch sauer auf. «Das ist unzumutbar», sagt Giuseppe Marino (54). Der Italiener besucht seine fast blinde, 89-jährige Mutter im achten Stock. «Meine Mutter kann kaum Treppen steigen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auf dem Weg in die Waschküche stürzt.»
Mit dem Entscheid der Verwaltung, auf den Betrieb beider Aufzüge zu verzichten, hadert Marino. Für das Gutachten habe es ebenfalls zu lange gebraucht. «Keiner weiss, wie lange meine Mutter und alle anderen Bewohner so ausharren müssen.» Mamma Giuseppa (89) sagt zu BLICK: «Ich kann seit einer Woche nicht mehr aus dem Haus.»
Bewohner mit Herzproblemen, Jugendliche im Rollstuhl
Auch Bewohner Süleyman Besken aus dem neunten Stock leidet. Der 23-Jährige: «Ich habe einen angeborenen Herzklappenfehler.» Zurzeit könne er zum Glück im Homeoffice arbeiten. «Wenn ich die ganzen Stockwerke laufen muss, gerate ich in Atemnot.» Er ist sauer: «Die Verwaltung überlässt uns Bewohner einfach uns selbst.»
Die dreifache Mutter Priya C.* (30) findet: «Der Zustand ist unhaltbar. Es hat Mütter mit Kinderwagen. Im Haus wohnt auch eine Jugendliche im Rollstuhl. Was ist, wenn jemand ein medizinisches Problem hat? Bis die Sanitäter oben sind, ist es vielleicht schon zu spät.»
«Alles andere wäre verantwortungslos gewesen»
Die Bewohner sind sauer auf die Verwaltung. Doch ihr seien die Hände gebunden, betont diese. «Wir bedauern sowohl den tödlichen Unfall im Juni wie auch die aktuelle Situation ausserordentlich. Doch wir mussten nach Vorliegen des Gutachtens auch den zweiten Lift ausser Betrieb nehmen – alles andere wäre verantwortungslos», sagt Simon Strübin, Verwaltungsrat der Stockag Immobilien und Treuhand AG. «Wir können nicht verantworten, dass sich eine solche Tragödie wiederholen könnte.»
Zudem sei ein eingeschriebener Brief der Gemeinde Spreitenbach bei der Stockag eingetroffen. Die Spreitenbacher Bauverwaltung untersagt die Nutzung aller Liftanlagen im Wohnblock ab sofort.
Die Stockag arbeite aber «mit Hochdruck» mit den Aufzugsunternehmen an einer Lösung, beteuert Strübin. Bis die Reparatur abgeschlossen sei, dauere es mehrere Wochen. Der Immoverwalter präzisiert aber: «Die Inangriffnahme der Reparatur erfolgt bereits in den nächsten Tagen.»
* Name der Redaktion bekannt