Auf einen Blick
- Sexualstraftäter arbeitete jahrelang an Zürcher Schule weiter. Stadtrat räumt Fehler ein
- Betreuer missbrauchte schwerbehinderten Mann, durfte trotzdem mit beeinträchtigten Kindern arbeiten
- Erst nach drei Jahren und rechtskräftiger Verurteilung 2022 wurde der Mann entlassen
Ein Zürcher Missbrauchsfall löste eine Welle der Entrüstung aus: Wie die «NZZ» kürzlich enthüllte, arbeitete ein verurteilter Sexualstraftäter jahrelang als Betreuer an einer Stadtzürcher Sonderschule weiter – und das, obwohl Schulleitung und die zuständige Behörde von seinen Taten wussten. Nun reagiert FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger (72) – und räumt Fehler ein.
Rückblende: Alles begann 2018, als der damals 53-jährige Betreuer beim sexuellen Missbrauch eines schwerbehinderten Mannes in einem Zürcher Heim erwischt wurde. Trotz sofortiger Meldung des Heimes an seinen zweiten Arbeitgeber, die Zürcher Schule, durfte der Mann nach kurzer Pause im Fahrdienst mit beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen weiterarbeiten. Konkret: Er begleitete Menschen, die teilweise nicht sprechen und sich somit auch nicht verbal gegen Übergriffe wehren können.
Selbst nach Verurteilungen in den Jahren 2019 und 2021 blieb der Mann weiter im Dienst. Erst die rechtskräftige Verurteilung 2022 führte zur Entlassung – über drei Jahre nach dem ersten Vorfall.
Fall nimmt politische Dimension an
Nach Bekanntwerden des Falles zeigten sich nicht nur Eltern und Angehörige geschockt, auch Experten äusserten Unverständnis darüber, dass die Rechte eines verurteilten Straftäters höher gewichtet werden als der Schutz der Schülerinnen und Schüler. Der Stadtzürcher Ombudsmann kritisierte zudem, dass sich die Verantwortlichen nur um eine Versetzung des Betreuers innerhalb der Schule bemüht hätten, berichtet die «NZZ».
Zunächst beteuerte das Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich, keine Fehler gemacht zu haben: Gegenüber der NZZ unterstrichen die Verantwortlichen, die angeordneten Massnahmen seien «angemessen» gewesen, «um den Schutz der Schulkinder und Jugendlichen zu gewährleisten». Dieselben Argumente äusserte die Schulleitung offenbar auch gegenüber den Eltern.
Stadtrat Leutenegger: «Es war ein Fehler»
Mittlerweile hat der Fall längst eine grössere, politische Dimension erreicht. Im Gemeinderat wurde ein dringlicher Vorstoss eingereicht. Die Parlamentarier wollen wissen, wer die Verantwortung trägt und ob das Verhalten von Schule und Behörde Konsequenzen mit sich bringt.
Am Mittwochabend wendete sich Stadtrat Filippo Leutenegger (72), Vorsteher des Schul- und Sportdepartements der Stadt Zürich, in einem Brief an die Eltern der Schüler. Es sei falsch gewesen, den Mann nach seiner Tat zurückzuholen, zitiert die «NZZ» aus dem Schreiben. «Es war ein Fehler. Es tut mir sehr leid, dass das an einem Ort mit besonders vulnerablen Kindern und Jugendlichen geschehen ist.» Leutenegger kündigt weiter, eine «schonungslose Analyse» der Vorfälle an: Der Verhaltenskodex der Schule werde überprüft und der Schutz von Schülerinnen und Schülern verbessert. Genauere Informationen zu den Massnahmen sollen im neuen Jahr folgen.