Stadt will es einfach räumen
Zürcher Vater kämpft für das Kindergrab seiner Tochter Olivia

Wenn Werner Fuchs seiner Tochter nahe sein möchte, geht er zum Friedhof in Affoltern am Albis. Doch in wenigen Wochen ist das nicht mehr möglich. Die Gemeinde will das Grab aufheben. Vater Fuchs ist am Boden zerstört.
Publiziert: 03.04.2024 um 17:54 Uhr
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Das Grab seiner Tochter besucht Werner Fuchs regelmässig.
Foto: Zvg
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Johannes HilligRedaktor News

«Ich verliere meine Tochter Olivia zum zweiten Mal», sagt Werner Fuchs (71) zu Blick. Er ist wütend, traurig und fassungslos.

Regelmässig besucht er das Grab von Olivia auf dem Friedhof in Affoltern am Albis ZH. «Sie hatte es nicht leicht, kam schwerbehindert auf die Welt und hatte epileptische Anfälle. Als sie 15 Jahre alt war, hörte ihr Herz plötzlich auf zu schlagen», erzählt Fuchs.

«Ich giesse die Blumen, richte das Kreuz schön her»

Die genaue Todesursache kennen er und seine Ex-Frau nicht. «Wir haben keine Autopsie machen lassen.» Seit dem Todestag gibt ihm das Grab seiner Tochter Kraft. «Es ist eine Art Kontaktmöglichkeit. Immer wenn es etwas Neues gibt, bin ich zum Friedhof und erzähle es Olivia.» Auch wenn es nichts zu berichten gibt, geht Vater Fuchs zum Grab. «Ich giesse die Blumen, richte das Kreuz schön her. Es gibt immer etwas zu tun.»

Doch bald wird der 71-Jährige ein letztes Mal zum Friedhof gehen. Denn das Grab von Olivia wird aufgelöst. Der Grund: Die 20 Jahre Ruhefrist sind vorbei.

Treffen mit Gemeindepräsidentin auf dem Friedhof

Theoretisch könnte die Gemeinde diese Frist verlängern. Doch das tut sie nicht. «Man sagte mir, dass man da keine Ausnahme machen kann. Sonst will das jeder machen. Und dann haben wir das Chaos», so Fuchs.

Der Pensionär gab sich aber nicht damit zufrieden und suchte das Gespräch mit Eveline Fenner (57), der Gemeindepräsidentin von Affoltern. «Ich habe Frau Fenner auf dem Friedhof getroffen. Aber das hat auch nichts bewirkt.» Immer wieder würde er auf die Bestattungs- und Friedhofsverordnung verwiesen werden. «Da steht zwar, dass die Ruhefrist 20 Jahre beträgt, aber nicht, dass sie danach nicht verlängert werden kann. Es ist einfach nur traurig, wie die Gemeinde mit so einem sensiblen Thema umgeht.»

«Trauer nach 20 Jahren noch nicht abgeschlossen»

Dass die Gemeinde sich so quer stellt, findet auch Werner Schneebeli, seit 28 Jahren Gemeindepfarrer in der reformierten Kirche in Affoltern am Albis, schade. Er kennt das Schicksal von Familie Fuchs gut, hat er sie doch beim Abschied und der Trauer damals begleitet. «Beim Entscheid der Stadt im Fall vom Kindergrab von Olivia Fuchs vermisse ich die Flexibilität, auf eine individuelle Not eines Menschen einzugehen und eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu suchen», sagt Schneebeli zu Blick.

Der Stadtrat befürchtet wohl, wenn er eine Ausnahme bewilligt, eine Schwemme von Gesuchen. In den allermeisten Fällen reicht die Grabesruhe von 20 Jahren den Angehörigen. Schneebeli: «Wenn ein Kind stirbt, oder wenn jemand sehr jung stirbt, ist die Trauer nach 20 Jahren noch nicht abgeschlossen. Aber in den meisten Fällen spielt dann das Grab für die Trauer keine entscheidende Rolle mehr.»

«Die Hoffnung habe ich aufgegeben»

Frau Fenner hat auf Blick-Anfrage nicht reagiert. Der Stadtschreiber von Affoltern, Stefan Trottmann, sagt hingegen, man mache keine Ausnahmen: «In der Schweiz gibt es kein Recht auf ewige Grabesruhe. Die. Alle Gräber auf dem Friedhof Affoltern am Albis werden nach der Ruhefrist von 20 Jahren aufgehoben.» Gleichzeitig verstehe man, dass dies «für manche Angehörige schwierig ist», da jeder unterschiedlich trauert. Eine Lösung zu finden sei «in einem so sensiblen Bereich wie beim Friedhof oft schwierig».

Der Stadtschreiber betont weitergehend, dass man bereits seit über einem Jahr mit Werner Fuchs in Kontakt stehe und ihm «verschiedene Lösungsansätze aufgezeigt» habe – vergeblich. «Gemäss unserem derzeitigen Wissensstand werden wir ihm die Urne Mitte April 2024 übergeben.» 

Dass das Grab seiner Tochter doch noch bestehen bleibt, glaubt Werner Fuchs nicht mehr. «Die Hoffnung habe ich aufgegeben.» Er und seine Ex-Frau wollen den Antrag stellen, die Urne ihrer Tochter haben zu können. «Was wir dann mit der Asche machen, wissen wir noch nicht.»

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