Heute findet der «Fall Carlos» am Bezirksgericht Zürich ein vorläufiges Ende. Am Nachmittag verkündete der Richter sein Urteil gegen Brian (24): Er soll weitere vier Jahre und neun Monate in den Knast. Die Gefängnisstrafe wird zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben. Heisst: Das Gericht entschied sich für die kleine Verwahrung.
Unter anderem wurde der Dauer-Delinquent der versuchten schweren Körperverletzung schuldig gesprochen worden, als er auf einen Gefängnisaufseher einprügelte.
Das ist jedoch nur die traurige Fortsetzung der Geschichte eines jungen Mannes, der die Schweizer Justiz seit Jahren beschäftigt. Ins Scheinwerferlicht geriet der «Fall Carlos» durch eine im August 2013 ausgestrahlten SRF-Fernsehsendung «Der Jugendanwalt». Darin wurde die Arbeit des Jugendanwalts Hansueli Gürber im Kanton Zürich porträtiert. Dabei wurde Brian, damals 17 Jahre alt, erstmals vorgestellt. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits 34 Mal wegen verschiedener Delikte verurteilt worden.
BLICK deckte im Anschluss auf, wie der Kanton Zürich Brian mit einem Sondersetting auf die richtige Bahn bringen wollte: Stolze 29'200 Franken kostete seine Luxusbetreuung, inklusive Thaibox-Training, 4½-Zimmer-Wohnung und einem Sackgeld. Umgesetzt hat die Massnahme-Institution Riesen-Oggenfuss GmbH aus Zürich.
«SRF» musste Sendung aus der Rotation nehmen
Die Empörung in der Schweiz war riesig. Eine Antwort, weshalb Brian ein solch teures Sondersetting verdiente, blieb lange unbeantwortet. Am Dienstagabend hat nun seine damalige Betreuerin, Anna-Lisa Oggenfuss, in der SRF-Sendung «Club» erstmals zu dieser Frage Stellung bezogen. Und ist dabei gleich ins Fettnäpfchen getreten: Oggenfuss outete in aller Öffentlichkeit Brians Identität – sie nannte seinen vollen Namen.
Das Schweizer Fernsehen musste reagieren: «Die Sendung geht nach der TV-Ausstrahlung jeweils automatisiert auf die «SRF»-Website. Diese wurde aber wieder vom Netz genommen, ebenfalls wurden die Wiederholungen auf «SRF info» gestoppt. Die Sendung wird nun für den Online-Abruf und die TV-Wiederholungen bearbeitet und an der entsprechenden Stelle ein Piepston eingefügt. Danach wird die Sendung wieder verfügbar sein», schreibt die Medienabteilung des Senders auf Anfrage von BLICK.
Es war kein «Laisser-faire»
In der Sendung selbst erklärte Oggenfuss mit bestimmter Stimme die Situation während des Sondersettings. Dass Brian von mehreren Personen betreut wurde – es ist von zehn Involvierten die Rede –, rechtfertigt Oggenfuss so: «Wenn man jemanden 24 Stunden betreuen muss, dann braucht es mehrere Personen.» Den Vorwurf, dass eine 4½-Zimmer-Wohnung für Brian unverhältnismässig war, will sie auch nicht mehr stehen lassen. Laut Oggenfuss sei lediglich ein Zimmer für Brian gewesen. «Es hatte ein Wohnzimmer, ein Zimmer gehörte dem jeweiligen Betreuer, und das vierte Zimmer haben wir als Büro genutzt.»
Und das Thaibox-Training? Laut Oggenfuss sei dies der Schlüssel gewesen, um Brian zu erreichen. Sie wollte ihm dies ermöglichen, damit er zum ersten Mal in seinem Leben eine Autorität spüre, die er aufgrund seiner Leidenschaft zum Sport auch befolgen würde. Es sei aber nicht so gewesen, dass Brian ohne gutes Benehmen ins Training gehen konnte, stellt Oggenfuss klar. «Er musste seine Hausaufgaben erledigen, in der Schule anständig sein. Es war kein Laisser-faire.»
Brian beschreibt sie im SRF-«Club» als «fordernd». «Er hat Ansprüche gestellt. Aber er hat in diesem Setting die Regeln befolgt.»
So viel verdiente Oggenfuss an Brian
Oggenfuss zeigt Verständnis, dass das teure Sondersetting für viele Menschen in der Schweiz unverständlich war. «Ich verstehe, dass ein Büezer, der mit 5000 Franken eine Familie ernähren muss, bei einer solchen Vorstellung auf die Barrikaden geht.» Für sie sei es aber eine Grundsatzfrage: «Wenn wir Straftäter reintegrieren wollen, dann ist das teuer.»
In der Sendung verriet Oggenfuss auch, wie viel ihre Firma vom knapp 30'000 teuren Sondersetting monatlich erhielt: 5000 Franken. Ein vergleichsweise geringer Lohn. (nim/nbb)