Eigentlich benötigte Sarah D.* (19) Hilfe eines Beamten der Stadtpolizei Zürich. Die junge Österreicherin hielt sich während ihrer Ferien in Zürich auf. «Anfang Woche gab es dann einen Vorfall mit einem Mann», sagt D. zu Blick. Genaue Details dazu will sie nicht in den Medien lesen, «aber ich musste die Polizei alarmieren».
Vor Ort klären mehrere Beamte die Situation. Auch die Personalien von Sarah D. werden aufgenommen. «Ich war müde und wollte nach dem Vorfall zurück nach Österreich, zurück nach Hause», erzählt sie. Sie habe ihre Koffer gepackt und sich in den Zug gesetzt.
Noch während der Fahrt erhält Sarah D. ein E-Mail von einem der beteiligten Polizisten, verfasst vom beruflichen Account. Das zeigen Screenshots, die Sarah D. in den sozialen Medien veröffentlicht hat. Zunächst fragt er nach, ob es ihr nach dem Vorfall wieder gut gehe. «Falls du meinen persönlichen Eindruck und einen guten Rat wissen möchtest, dann schreibe ich dir diese gern», so der Polizist.
Anzügliche Mails als Antwort
«Zu diesem Zeitpunkt war mein Eindruck noch positiv», erzählt Sarah D. «Ich dachte mir, der Polizist interessiere sich für die Situation und habe nur gute Absichten.» Deshalb habe sie ihm auch zurückgeschrieben.
Sarah D. antwortet, dass sie einen persönlichen Ratschlag gern annehme – und erhält eine unfassbare Nachricht zurück. «Sarah, du bist 19. Mach etwas langsamer», steht da. Und dann: «Weisst du, was junge Männer sehen, wenn sie dich anschauen? Eine Sexbombe! Der Männertraum!» Er wisse, dass sie das auch wolle, schreibt der Polizist, und: «Du siehst nicht aus wie 19, und du machst das auch bewusst!» Auch im Internet präsentiere sie sich «sicherlich extrem heiss», so der Beamte weiter.
Sie habe auch aufgrund des Vorfalls in Zürich zuerst gar nicht realisiert, was genau eigentlich in der Nachricht stehe, sagt Sarah D. «Ich war übermüdet.» D. antwortet dem Polizisten und schreibt ihm unter anderem, dass ihr die Lust auf die Schweiz zwar vergangen sei, sie aber dennoch wieder nach Zürich reisen wolle. Daraufhin fragt sie der Beamte, ob sie wieder nach Zürich reisen werde. «Ich habe frei», so der Polizist. Sie könne also «die Sau rauslassen» und bekomme «keine Standpauke».
Stadtpolizei meldet sich
Die junge Frau schickt die Screenshots einer Freundin, erzählt sie. «Sie war völlig schockiert. Erst da wurde mir klar, was genau eigentlich in diesen Nachrichten steht.» Zwei Tage nach dem Vorfall kann sie es noch immer kaum fassen. «Ich habe vorher noch nie Hilfe von der Polizei gebraucht. Es ist das erste Mal – und dann gleich so was.»
Sarah D. entscheidet sich dazu, den Mailverkehr in den sozialen Medien zu veröffentlichen. Die Videos werden tausendfach angesehen. Auch die Stadtpolizei reagiert umgehend und meldet sich bei Sarah D. Man habe interne Abklärungen in die Wege geleitet. «Wir distanzieren uns von solchem Verhalten. Das entspricht nicht dem Standard, den wir von unseren Mitarbeitenden erwarten», heisst es im Mail.
«Ich war erleichtert, dass sie sich gemeldet haben», sagt Sarah D. «Die Polizei hat mir auch gesagt, dass der Vorfall Konsequenzen nach sich ziehen werde.»
Stadtpolizei-Sprecherin Judith Hödl bestätigt auf Anfrage von Blick, dass man nach dem Vorfall sofort reagiert habe. Sie bekräftigt erneut, dass sich die Polizei «in aller Form» vom Verhalten des Beamten distanziere. «Es haben bereits Gespräche stattgefunden, und wir prüfen personalrechtliche Massnahmen in Bezug auf den Mitarbeiter», sagt Hödl.
Polizeiangehörige müssten sich bewusst sein, dass sie in ihrer Funktion eine Aussenwirkung hätten, führt die Sprecherin weiter aus. Das sei auch der Fall, wenn Polizisten Mails verschicken oder sonstige Inhalte veröffentlichen würden. «Diese Schulung fängt in der Ausbildung an und setzt sich danach in verschiedenen Fortbildungskursen weiter.»
Ein ungutes Gefühl bleibt bei Sarah D. dennoch. «Ich liebe die Schweiz und möchte eigentlich auch in die Schweiz auswandern und da wohnen. Nach diesem Vorfall hinterfrage ich das jetzt aber. Im Moment ist mir die Lust auf die Schweiz vergangen.»
* Name bekannt