In den ersten Beziehungen sammelt man erste sexuelle Erfahrungen. Das dachte auch Lucia R.* (19), eine Maturandin aus Basel, als eine gute Freundin von ihren Liebesgeschichten schwärmte. Lucia war damals ebenfalls in einer Beziehung, aber bei ihr war es anders: Ihr wurde bei diesem Thema immer unwohl. Sie fühlte sich unter Druck gesetzt.
Und plötzlich dämmerte es Lucia, dass bei ihr irgendetwas anders lief. Sie schien nicht das Gleiche wie ihre Freundinnen zu empfinden. Dann stiess sie im Internet auf den Begriff der Asexualität. Und rasch war ihr klar: Sie ist asexuell.
Sexuelle Anziehung heisst nicht Libido
Asexualität gründet nicht etwa in einem traumatischen Erlebnis, wie oftmals fälschlicherweise behauptet wird. «Asexuell bedeutet, dass man kein sexuelles Empfinden gegenüber anderen verspürt», sagt Lucia R. zu BLICK. Das bedeute nicht, dass man biologisch nicht dazu fähig ist oder keine Libido verspürt. «Es liegt an der fehlenden sexuellen Anziehung», sagt sie.
Wie ausgeprägt die Asexualität ist, sei je nach Person unterschiedlich. So handle es sich hierbei um ein Spektrum und keine Unterscheidung von Schwarz und Weiss. Lucia sieht sich eher auf dem äusseren Ende des Spektrums: «Ganz genau kann man es aber nie wissen.»
Ihr Umfeld verunsicherte sie
Beispielsweise gibt es Menschen, die sexuelle Anziehung nur Menschen gegenüber verspüren, zu denen sie bereits eine engere Verbindung aufgebaut haben. «Das dachte ich zunächst bei mir auch. Später wurde mir aber bewusst, dass dies nicht auf mich zutrifft», so Lucia.
Zu Beginn verunsicherten sie Menschen in ihrem Umfeld. Immer wieder hiess es: «Du findest noch den Richtigen!» oder «Das ist nur eine Phase, da wächst du schon raus!». Das Gegenteil traf ein. Sie ist zufrieden mit ihrem Leben als Asexuelle, vermisst nichts.
Problematik der übersexualisierten Gesellschaft
Grundsätzlich empfindet Lucia unsere Gesellschaft als übersexualisiert. «Überall dreht sich alles um Sex und Beziehungen: in den Medien, in Filmen, in Büchern», sagt Lucia. Dabei werde kaum informiert, dass es Menschen gibt, die die Welt anders wahrnehmen. Für die Sex, Liebe und Beziehungen keine Rolle spielen. «Somit fühlen sich Asexuelle, als wäre etwas falsch mit ihnen. Dem ist aber nicht so», sagt sie.
Sichtbarkeit sei für diese kleinere Minderheit besonders wichtig. Lucia hätte sich in ihrem Fall gewünscht, dass mehr Informationen zur Asexualität zur Verfügung stünden. «Deshalb finde ich Anlässe wie das Zurich Pride Festival besonders wichtig», so Lucia. Dieses Jahr laufe sie zum ersten Mal am grossen Umzug am 16. Juni mit, um für asexuelle Menschen einzustehen.
* Name der Redaktion bekannt