Aus Angst vor Legionellen in Zürich
Schulen verbrauchen in den Ferien 127'500 Liter Wasser

In der Stadt Zürich müssen die Schulhäuser in den Sommerferien einmal pro Woche alle Wasserhähne aufdrehen. Das sorgt für eine ganze Menge ungenutztes Abwasser – Verschwendung ist es nicht, denn: So wird Legionellen vorgebeugt.
Publiziert: 02.07.2022 um 17:01 Uhr
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Bald fangen die Sommerferien an und die Schulhäuser der Stadt Zürich bleiben für fünf Wochen leer.
Foto: Thomas Meier
Chiara Schlenz und Sven Ziegler

In den Sommerferien bleiben die Gänge in den Schulen leer. Die Klassenzimmer sind verwaist – und die zahlreichen Wasserhähne in den Schulen der Stadt Zürich bleiben geschlossen. Zumindest sechs Tage die Woche.

Einmal pro Woche muss das Wasser in sämtlichen Schulzimmern zum Fliessen gebracht werden. Das Wasser muss mindestens eine Minute lang laufen, schreiben die Bildungsbehörden vor. Der Grund: Angst vor Legionellen. Die stäbchenförmigen Bakterien können grippeähnliche Erkrankungen und schwere Lungenentzündungen hervorrufen.

Infektionen mit Legionellen treten laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in der Schweiz immer häufiger auf. 2019 verzeichnete das Meldesystem Sentinella des Bundesamts für Gesundheit (BAG) 582 Legionellosefälle, davon fünf bis zehn Prozent mit tödlichem Verlauf.

127'500 Liter Wasser gehen für Prävention drauf

Einen Grund zur Panik gibt es aber noch nicht: «Legionellen befinden sich ja immer in kleinen Mengen im Trinkwasser, sie können jedoch die gesetzlichen Höchstwerte überschreiten, wenn das Wasser lange bei Temperaturen zwischen 25 und 50 Grad in den Leitungen stillsteht», sagt Daniel Bekcic, Fachspezialist Kommunikation bei Immobilien Stadt Zürich zu Blick. In diesen Temperaturen fühlen sich die Legionellen äusserst wohl – und vermehren sich dementsprechend schnell.

Die Empfehlung, das Wasser in den Sommerferien laufenzulassen, komme vom BAG und vom BLV und gelte in der Branche als «anerkannte Regel der Technik».

Wie viele Zimmer es in den Schulen der Stadt Zürich genau gibt und wie viele Wasserhähne die Hauswarte der Schulen jede Woche auf- und wieder zudrehen müssen, kann Bekcic nicht genau sagen. Allerdings gehen in den 116 Schulhäusern auf dem Stadtgebiet mehr als 1700 Klassen zur Schule. Da jede dieser Klassen ein Zimmer benötigt und diese Zimmer auch über einen Wasseranschluss verfügen, müssen jede Woche tausende Wasserhähne geöffnet und für eine Minute laufengelassen werden.

Im Mittel fliessen pro Minute rund 15 Liter Wasser durch einen durchschnittlichen Wasserhahn. Damit fliessen jede Woche hunderte Liter Wasser ungenutzt vom Wasserhahn direkt ins Abwasser. Wer kurz nachrechnet, kommt auf eine beachtliche Zahl: Pro Tag verbraucht die Massnahme also rund 25'500 Liter Wasser – hochgerechnet sind das 127'500 Liter Trinkwasser während fünf Wochen Sommerferien. Zum Vergleich: Eine Person verbraucht pro Tag durchschnittlich rund 129 Liter Wasser.

Kosten für Sanierung höher als für Trinkwasser

Von Wasserverschwendung will Bekcic allerdings nichts wissen. «Auf den ersten Blick mag das verschwenderisch wirken, ist aber absolut nötig», sagt er. Es gehe um eine Risikoabwägung. Sollte es infolge des Wasserstillstands tatsächlich zu einem Legionellen-Ausbruch kommen, wäre die Verfügbarkeit der Anlagen über einen längeren Zeitraum eingeschränkt. Zudem würden die Kosten für Sanierungsmassnahmen deutlich höher liegen als die «Kosten für die betriebliche Prävention» – also beispielsweise das abgeflossene Wasser.

Die Massnahme ist zudem kein Novum, sondern ist verpflichtend aus der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) über Trinkwasser sowie Wasser in öffentlich zugänglichen Bädern und Duschanlagen, erklärt Bekcic. Immobilien Stadt Zürich macht allerdings erst seit zwei Jahren aktiv auf die Massnahme aufmerksam.

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