In gleichmässigen Bewegungen zeichnet ein Druckkopf Bahnen aus weisser Schokolade auf eine schwarze Platte. Der über 80 Kilogramm schwere Chocoformer steht im Labor des Instituts für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK) an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil-Jona SG. Er ist einer der wenigen Drucker auf der Welt, die mit Schokolade 3D-Objekte herstellen können. «Es gibt viele Schoggi-Drucker. Die meisten drucken aber mit kakaohaltiger Fettlasur und nicht mit hochwertiger Schokolade», erklärt Daniel Schwendemann (51), stellvertretender Institutsleiter des IWK.
Werbung für angestaubtes Studienfach
2017 wagten sich die Fachleute für Kunststoffverarbeitung an die Entwicklung dieser Maschine. Ursprünglich war sie als Werbeaktion gedacht. «Wir wollten für unseren Studiengang aufzeigen, wie vielfältig die Einsatzgebiete im Bereich Maschinentechnik sein können», erklärt Schwendemann. Patrick Fässler (28), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, hatte die zündende Idee: ein 3D-Drucker, der mit Schokolade arbeitet – perfekt für das Schoggi-Land Schweiz. Ein Jahr später war eine erste Version des Chocoformers realisiert.
Charakteristik jeder Schokoladensorte bestimmen
Das Gerät, das Schwendemann und Fässler jetzt präsentieren, ist der Chocoformer 2.0. Verbessert wurden die Hygienetauglichkeit und das Drucken auf unebenen Flächen, zum Beispiel auf Keksen.
Das IWK musste bei der Entwicklung des Chocoformers nicht bei null beginnen. Jahrelange Erfahrung mit 3D-Druckern kam ihm zugute. «Das Vorgehen und die Datenaufbereitung sind genau gleich wie bei anderen 3D-Druckern», sagt Fässler. «Der einzige Unterschied ist, dass die Druckmasse aus Schoggi besteht.» Das Schwierigste bei der Entwicklung des Chocoformers war, die Eigenschaften der Schokolade zu kennen und so die richtigen Einstellungen bezüglich Schichthöhe, Temperatur und Druckgeschwindigkeit vornehmen zu können. Dazu haben Fässler und sein Team ein Verfahren entwickelt, mit dem sie es schaffen, die Charakteristiken jeder Schokoladensorte zu bestimmen.
Kakaofrüchte und personalisierte Schriftzüge
Im Tank des Chocoformers haben 250 Gramm Schokolade Platz. Sollte das mal nicht reichen, kann man den Tank auch während des Druckprozesses nachfüllen. Mit zwei Düsen kann die Maschine zweifarbig drucken – bei unserem Besuch ist sie einmal mit weisser und einmal mit Milchschokolade ausgestattet.
Doch was kann der Chocoformer, was eine herkömmliche Gussform, wie sie bei Schoggi-Weihnachtsmännern verwendet wird, nicht kann? Anders als diese Formen ist der 3D-Drucker geeignet für Figuren mit komplexen Windungen und Hinterschnitt. Fässler zeigt als Beispiel eine aus Schokolade gedruckte Kakaofrucht. Der Institutsmitarbeiter hat dafür eine echte Kakaofrucht 3D-gescannt und in ein Programm eingelesen, welches die Daten an den Drucker überträgt. «Diese feinen Strukturen», erklärt er und zeigt auf die Einbuchtungen in der Schale der Kakaofrucht, «wären mit einer zweiteiligen Gussform nicht möglich.»
Die Schoggi-App
Werden wir bald alle unsere eigene Schokolade bei uns zu Hause drucken? Das bezweifelt Schwendemann: «Ziel ist es, unseren Drucker in Firmen, Hotels oder Confiserien einzusetzen. Wir bewegen uns im Lebensmittelbereich und müssen natürlich die Hygienevorschriften beachten. Aus diesem Grund wird der Chocoformer nicht so günstig zu haben sein.» Was man ausserdem gern vergisst: Um Designs für einen 3D-Drucker zu gestalten, muss man programmieren können.
Dieses Problem haben zwei Informatikstudenten der Fachhochschule allerdings schon gelöst: Sie haben eine App entwickelt, mit der Privatpersonen ihre eigenen Designs anfertigen und drucken lassen können. In wenigen Schritten wählt man eine Unterlage – ein Guetsli oder farbiges Esspapier – und zeichnet oder schreibt etwas, das dann darauf gedruckt werden soll. Damit nimmt die App einem die Programmierkenntnisse ab, die eigentlich für die Entwicklung von 3D-Modellen nötig wären. Die App ist bereits funktionsbereit und könnte von Unternehmen in ihren Webshop integriert werden.
Mit einer Innovation aus der Krise?
Das Interesse dafür ist vorhanden: Auch die Schokoladenindustrie leidet unter den Folgen von Corona. Im zweiten Halbjahr 2020 ist der Umsatz um 20 Prozent gesunken. Die Branche sucht deshalb fortlaufend nach Vermarktungsmöglichkeiten. Wegen der Nachfrage aus der Industrie kam das Institut überhaupt erst auf die Idee, den Chocoformer zu kommerzialisieren. Denn anfangs war er eben nur ein Marketing-Gag.
Aber obwohl die Schokoladenindustrie neugierig auf den Schoggi-Drucker ist, dürfte es laut Schwendemann bis zur Massenanfertigung noch etwas dauern. «Wir sind eine Bildungsinstitution und können Prototypen herstellen und optimieren, jedoch nicht in Serie verkaufen. Es ist immer noch ein Hochschulprojekt.»
Spätestens in zwei Jahren wird man laut dem Institutsleiter aber überall in der Schweiz Produkte des Chocoformers sehen. Zu Weihnachten 2022 können wir also vielleicht schon unsere personalisierten Schoggi-Weihnachtsmänner drucken.