Zuckerbomben statt Gesundheit
Experten warnen vor unnötigen Vitaminpräparaten für Kinder

Burgerstein bewirbt ein Präparat für Kinder ab vier Jahren. Fachleute sehen das sehr kritisch.
Publiziert: 23.10.2024 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2024 um 12:58 Uhr
«Für das gesunde Kind nicht zu empfehlen»: Vitaminis von Burgerstein.
Foto: Paul Seewer

Auf einen Blick

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Andrea M. Haefely
Beobachter

Herzige Elefäntli, dunkelrosa und mit süssem Pfirsichgeschmack – die Vitamine und Spurenelemente im Nahrungsergänzungspräparat «Vitamini» von Burgerstein kommen gut getarnt als Fruchtgummis daher. Kaum ein Kind wird hier Nein sagen, kein «Wäääk, die han ich nöd gern» stört den Frieden am Frühstückstisch. Das freut die Eltern genauso wie den Hersteller, der «Vitamini» für Kinder ab vier Jahren mit dem Slogan «Elefantenpower für die Kleinen» verkauft.

Nahrungsergänzung für Kinder: «Kein positiver Effekt bekannt»

Weniger positiv sehen das Fachleute für Kinderernährung. «Es sind uns keine Untersuchungen respektive Daten bekannt, dass die zusätzliche Verabreichung von Multinährstoffpräparaten bei Kindern einen gesundheitlich positiven Effekt hat», so Pascal Müller und Claudia Rosencrantz vom Kinderspital St. Gallen zum Beobachter. Weitaus wichtiger wäre, dass sich Kinder und Jugendliche ausgewogen ernähren, sich regelmässig im Freien aufhalten, sich genug bewegen und genügend schlafen. 

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«Für gesunde Kinder nicht zu empfehlen»

Sie würden derlei Mittel für das gesunde Kind nicht empfehlen, halten der Chefarzt und die Co-Leiterin Abteilung Ernährung und Diätetik fest. «Auch nicht bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Leistungseinbussen.»

Genau dafür preist Burgerstein die Elefäntli aber an. «Wir verwenden nur Claims, die gemäss Schweizer Lebensmittelverordnung zugelassen sind», sagt dazu Burgerstein-Pressesprecherin Aurelia Kunz.

Zusätzliche Vitamine und Nährstoffe bergen Risiken

«Bei ausgewogener Ernährung ist es kaum möglich, zu viele Vitamine und Spurenelemente aufzunehmen. Wenn aber Nahrungsergänzungsmittel hinzukommen, kann es bei den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K zu Überdosierung und gesundheitsschädlichen Situationen kommen», sagt Ernährungsspezialistin Rosencrantz. Dasselbe gelte für Zink und Selen. Burgerstein-Sprecherin Kunz dazu: «Dieses Risiko besteht beim korrekten Einsatz von Vitamini nicht.» 

Die Firma preist die Fruchtgummis auch als Ausgleich zu «wählerischem Essverhalten» oder bei pflanzenbasierter Ernährung an. «Das setzt falsche Zeichen!», sagt Claudia Rosencrantz. Damit werde suggeriert, dass eine ausgewogene Ernährung nicht ausreiche, um mit den notwendigen Nährstoffen versorgt zu sein. Und dass eine ungünstige Ernährung durch Nährstoffsupplemente «korrigiert» werden könne. 

«Fachperson sollte Vitaminbedarf abklären»

«Natürlich kann kein Nahrungsergänzungsmittel eine ausgewogene Ernährung ersetzen. Das kommunizieren wir auch so», sagt Aurelia Kunz von Burgerstein dazu. Etwa mit einer kleinen Broschüre mit Rezepten. 

Sinnvoll können Nährstoffzugaben bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenen Stoffwechselstörungen, gewissen (chronischen) Erkrankungen oder diätetischen Einschränkungen wie veganer Ernährung sein. «Es empfiehlt sich aber, dass eine Fachperson den Bedarf und die Dosierung überprüft», sagt Chefarzt Pascal Müller.

Zweimal Zucker ganz oben auf der Zutatenliste

Und was ist neben den angepriesenen Vitaminen und Mineralstoffen in den drei Gramm schweren Gummis drin? Auf den ersten beiden Positionen der Zutatenliste stehen Glucosesirup und Zucker. Also zweimal Zucker. Burgerstein erklärt: «Wir haben Zucker anderen, synthetischen Hilfsstoffen vorgezogen. Zudem ist er aus unserer Sicht mit 1,5 Gramm pro Einheit, das entspricht etwa einer Traube, in einer vertretbaren Menge enthalten. Immerhin: Burgerstein empfiehlt, Vitamini vor dem Zähneputzen zu konsumieren.

Burgerstein ist nicht die einzige Firma, die solche Multivitaminpräparate speziell für Kinder verkauft. Auch Migros oder Supradyn führen ähnliche Produkte im Angebot. Die hier gemachten Aussagen von Fachleuten gelten grundsätzlich für auf Kinder zugeschnittene Präparate zur Nahrungsergänzung.

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