Europa zankt sich um den Wintersport. Deutschland, Frankreich und Italien wollen bis Ende Jahr die Pisten schliessen. Die Schweizer hingegen spielen zusammen mit Österreich das gallische Dorf. «Skigebiete bleiben offen», stellte Gesundheitsminister Alain Berset (48) am Donnerstag klar.
Womit der Bundesrat in alle Himmelsrichtungen verlässlich für diplomatische Verstimmung sorgt. Der Unmut über die helvetischen Hasardeure ist gross. So gross, dass Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) gegenüber Paris auf Regierungsebene die Wogen glätten musste. «Wir sind mit den Nachbarländern in Kontakt», sagt sie gegenüber SonntagsBlick. «Am Freitag habe ich mit dem französischen Premierminister Jean Castex über die kommenden Festtage und den Wintertourismus gesprochen.»
Das Ausland befürchtet nicht weniger als einen zweiten Fall Ischgl. Das Tiroler Halligalli-Mekka wurde im März zum Corona-Hotspot; aus der Après-Ski-Bar Kitzloch nahmen Touristen aus ganz Europa das Virus mit nach Hause, darunter auch etliche Schweizer. Sommaruga: «Der Bundesrat wird bei seinen Entscheidungen selbstverständlich auch miteinbeziehen, welches die möglichen Auswirkungen auf andere Staaten, insbesondere die Nachbarstaaten sind.»
Bundesrat nimmt Kritik zur Kenntnis
Wirtschafts- und Sportminister Guy Parmelin (61) bestätigt auf Anfrage ebenfalls die Mission Schadensbegrenzung: «Der Bundesrat ist auf verschiedenen Ebenen mit dem Ausland in Kontakt, auch mit Deutschland und Frankreich.» Die Kritik am Schweizer Weg nehme man «zur Kenntnis», so der Waadtländer.
Und er betont, dass der Bundesrat «die epidemiologische Entwicklung und deren Auswirkungen sehr eng beobachtet». Offensichtlich fahren die Schweizer die Strategie, die volkswirtschaftliche Bedeutung des Wintersports für das Land herauszuheben. Bundespräsidentin Sommaruga: «Die epidemiologische Ausgangslage und die bisher getroffenen Massnahmen in den europäischen Staaten sind sehr verschieden. Ausserdem spielt der Wintersport in einem Alpenland wie der Schweiz eine andere Rolle als zum Teil in anderen Ländern.»
Wie erfolgreich die Bergdestinationen in Bundesbern lobbyieren, zeigt das Beispiel Guy Parmelins: Bereits im Oktober hat sich der Magistrat bereit erklärt, als Schirmherr der PR-Aktion «Die Schweiz fährt Ski!» zu fungieren. Lange vor dem Entscheid also, wie man die Skisaison durch die Corona-Krise bringt.
Vorbereitung sei wichtig
Bleibt er trotz des aufkeimenden Konflikts mit dem Ausland in dieser Rolle? «Ja», betont Parmelin. Der Bundesrat sei sich «der schwierigen Situation bewusst. Es ist wichtig, dass sich jede Region auf die Wintersaison vorbereitet, so wie es die gesundheitliche Situation zulässt.»
Mehr zum Pisten-Zoff
Bei der Aktion tut sich derzeit Bemerkenswertes. Zu Beginn sassen Parlamentarier aller Parteien im breiten Co-Präsidium des Komitees, unter anderen SP-Nationalrat Matthias Aebischer (53), GLP-Präsident Jürg Grossen (51) und FDP-Ständerat Hans Wicki (56).
Nun sind diese wie durch Geisterhand wieder aus dem Co-Präsidium verschwunden. Die Politiker sind zu «Supportern» degradiert worden.
Neue Kampagne soll bald starten
Hat das mit dem steigenden Druck der Nachbarn zu tun? Nein, heisst es bei der federführenden Agentur Furrerhugi. Es handle sich um eine reine Formsache. Sei das Ansinnen zunächst halt eher politischer Natur gewesen, gehe es jetzt darum, um Gäste zu werben. Diese Woche soll eine breite Kampagne lanciert werden.
Gut möglich, dass diese Strategie aufgeht und sich die Kassen in den Bergregionen füllen werden. Der Preis dafür könnte ein belastetes Nachbarschaftsverhältnis sein. Bundespräsidentin Sommaruga sagt dazu: «Wir analysieren derzeit die Situation in Zusammenarbeit mit den Kantonen und ziehen dabei die Haltungen der Nachbarländer mit ein. Gute Beziehungen mit den Nachbarländern sind dem Bundesrat wichtig.»
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