Zwischen Bund und Ständen herrscht Zoff: Am Freitag kritisierte Gesundheitsminister Alain Berset (49) die Kantone ungewöhnlich scharf. Der Hauptgrund: 17 von ihnen haben sich gegen flächendeckende Schultests ausgesprochen. «Wir hätten repetitive Tests sehr gerne als Pflicht gesehen«, sagte der SP-Bundesrat. Die Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner (63, Mitte) ist Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Sie nimmt die Kantone gegen die Vorwürfe aus Bundesbern in Schutz.
SonntagsBlick: Frau Steiner, die Mehrheit der Kantone hat sich in der Konsultation gegen flächendeckende Tests an den Schulen gestemmt – sehr zum Missfallen von EDI-Vorsteher Alain Berset.
Silvia Steiner: Die Kantone lehnen repetitive Tests nicht ab, sie werden – im Gegenteil – in vielen Kantonen durchgeführt.
Wieso dann dieser Widerstand gegen ein landesweites Regime?
Eine gesamtschweizerische Verpflichtung der Schulen birgt zwei Probleme: Es würde enorme Testkapazitäten beanspruchen, wobei je nach Gebiet das System schon heute am Anschlag ist. Das frühe Entdecken von asymptomatischen Fällen wird bei langer Wartezeit nicht mehr erreicht. Zweitens bleibt das Testen für die Kinder immer freiwillig. Ohne Akzeptanz und hohe Teilnahmequote in den Klassen erreicht das repetitive Testen ebenfalls zu wenige gute Resultate.
Covid breitet sich in der fünften Welle stark in den Schulen aus, Schülerinnen und Schüler werden zu Treibern der Pandemie.
Die Kinder tragen das Virus und können es weitergeben, sie als Treiber der Pandemie zu bezeichnen, ist nicht korrekt. Der beste Schutz für Kinder sind Erwachsene, die geimpft sind und sich auch in der Freizeit verantwortungsvoll verhalten.
Kritiker verlangen von den Kantonen, dass diese dem Bund stärker zur Seite stehen und rigorosere Massnahmen einführen – wie eben repetitives Testen oder eine generelle Maskenpflicht.
Die Kantone nehmen ihre Verantwortung im Bildungsbereich wahr. Im Kanton Zürich hat der Regierungsrat letzte Woche zum Beispiel eine generelle Maskentragpflicht ab der 4. Klasse an der Volksschule eingeführt. Ausserdem werden rund 120‘000 Schülerinnen und Schüler und Lehrpersonen wöchentlich getestet, das sind über zwei Drittel der Schulen in meinem Kanton. Auch viele andere Kantone haben die Massnahmen verschärft.
Was sagen Sie als Bildungsvorsteherin zur Haltung des Lehrerdachverbandes LCH, der sich gegen eine Impfpflicht fürs Lehrpersonal ausspricht?
Die wirksamste Massnahme zur Bewältigung der Pandemie ist das Impfen. Viele Lehrpersonen sind bereits heute geimpft. Wir sitzen alle im selben Boot und tun unser Möglichstes, um das Recht auf Bildung für unsere Kinder zu gewährleisten. Die Lehrpersonen verfolgen seit Monaten unter grossen Anstrengungen das Ziel, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Das verdient Anerkennung.
Bundesrat Berset moniert, dass gerade Kantone, in denen die Spitäler Alarm schlagen, gegen härtere Massnahmen sind. Er vermisst da Kohärenz.
Ich kann nur zum Bildungsbereich Stellung nehmen. Für diesen tragen die Kantone per Gesetz die Verantwortung und sie setzen die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen bereits zum grössten Teil um. Die Kantone wenden seit Beginn der Pandemie den gleichen variablen Mix von Massnahmen an, den sie je nach Situation laufend anpassen.
Dennoch: Zwischen Bund und Kantonen herrschen Differenzen. Was tut die EDK, um die Wogen zu glätten?
Wir verfolgen alle das gleiche Ziel: Wir wollen die Corona-Pandemie so rasch als möglich beenden. Auch dank des föderalen Systems ist es uns im Gegensatz zu vielen anderen Ländern bisher gelungen, den Präsenzunterricht an der obligatorischen Schule und der Sekundarstufe II aufrechtzuerhalten. Das ist eine grosse Stärke unserer Demokratie. Kanton und Bund haben im Bildungsbereich verschiedene Rollen, der Austausch mit dem Bund funktioniert weiterhin gut.
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