Auf einen Blick
- Andreas Baumann-Zurfluh unfreiwillig in Gemeinderat von Wassen UR gewählt.
- Amtszwang angewendet: Verweigerung führt zu 5000 Franken Busse und Strafregistereintrag
- Baumann-Zurfluh erhielt 28 Stimmen, Felix Baumann-Baumann landete mit 47 Stimmen auf Platz 1
Andreas Baumann-Zurfluh (39) mistet zusammen mit seinem Vater den Stall aus, als ihn Blick am Tag nach der Wahl auf seinem Hof besucht. «Die sollen einen nehmen, der mehr Zeit hat», ruft sein Vater, während er eine Schubkarre mit Mist füllt. Andreas Baumann-Zurfluh nickt zustimmend. «Ich habe keine Zeit für dieses Amt.»
Grundsätzlich könne er sich vorstellen, Gemeinderat zu sein, der Zeitpunkt sei aber ungünstig. Weil viele im Dorf ähnlich denken, musste der Amtszwang angewendet werden. Wer kein politisches Amt bekleidet hat und unter 65 Jahren ist, ist verpflichtet, die Wahl anzunehmen. Wer sich weigert, erhält eine Busse von 5000 Franken und einen Eintrag im Strafregister.
«Die Familie kommt jetzt schon zu kurz»
Andreas Baumann-Zurfluh ist Landwirt, Vater von sechs Kindern, Vizekommandant bei der Feuerwehr, Kassier vom Urner Bauernverband und engagiert sich bei der Alpengenossenschaft. «Sehr wahrscheinlich habe ich aber noch einige Sachen vergessen», sagt er. Inzwischen sitzt er zusammen mit seiner Frau und den jüngsten zwei Söhnen am Mittagstisch. Dass man ihn im kleinen Bergdorf kennt und er sagt, was er denke, habe wahrscheinlich zu seiner unfreiwilligen Wahl geführt.
«Es trifft immer die, die sich bereits überall engagieren», sagt er. Auch seine Frau Susanne freut sich nicht über die Wahl. Sie befürchtet, dass er noch weniger zu Hause ist. Das stört auch ihn: «Die Familie kommt jetzt schon zu kurz. Und mein Vater kann mir nicht noch mehr im Stall helfen.» Deshalb überlegt er sich, ob es einen Weg gibt, wie er die Wahl anfechten könnte. Dafür bleiben ihm zehn Tage. Andreas Baumann-Zurfluh ist aber auch Realist genug und weiss, dass er das Amt am 1. Januar antreten muss.
Warum will niemand in den Gemeinderat?
Im Dorf mit dem bekannten «Chileli» herrscht nach der Wahl Erleichterung. Im Vorfeld war die Nervosität gross. Öffentlich wurde nicht über die Wahl gesprochen, sondern nur am Stammtisch diskutiert. Das Resultat hingegen ist nun prominent am Anschlag beim Volg im Dorfkern aufgehängt. Auf dem ersten Platz landete Felix Baumann-Baumann mit 47 Stimmen. Andreas Baumann-Zurfluh erhielt 28 Stimmen.
Kurze Gespräche im Dorf geben Aufschluss, warum Kandidaten für den Gemeinderat Mangelware sind. «Die Arbeit wird nicht genug wertgeschätzt», sagt Claudio Walker. Er landete bei der Wahl auf Rang drei. Ähnlich klingt es bei einem Gespräch vor dem Seniorenzentrum. Viele hätten Angst, dass sie sich einsetzen und schlussendlich nur kritisiert werden. Kommt hinzu, dass sich viele Einheimische bereits irgendwo engagieren.
Es sind Probleme, die nicht nur Wassen hat, sondern viele kleine Gemeinden in der Schweiz. Probleme, mit denen sich Andreas Baumann-Zurfluh mindestens in den kommenden zwei Jahren auseinandersetzen muss.