Seit ihrer Corona-Infektion leidet Stefanie Odianosen (35) unter Kakosmie
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«Es riecht abartig!»:Stefanie Odianosen (35) leidet unter Kakosmie

Stefanie Odianosen (35) aus Root LU leidet nach Corona an «Kakosmie»
«Es stinkt fast alles nur noch nach Fäkalien!»

Sie war ungeimpft, kriegte Corona – und wurde wieder gesund. Auch der Geruchs- und Geschmackssinn bekam Stefanie Odianosen (35) aus Root LU zurück. Doch zwei Monate später schlugen bei ihr andere Folgen von Covid-19 zu. Mit dem Namen: Kakosmie.
Publiziert: 04.01.2022 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2022 um 18:08 Uhr
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Stefanie Odianosen (35) aus Root LU: «Es stinkt fast alles nur noch nach Fäkalien!»
Foto: Ralph Donghi
Ralph Donghi (Text und Fotos)

Wenn eine Person an Corona erkrankt, leidet sie unter anderem meist auch an Geruchs- und Geschmacksverlust. Dieser kommt nach einer Covid-19-Genesung jedoch mehrheitlich wieder zurück. Auch bei Stefanie Odianosen (35). «Ich kann schon wieder riechen und schmecken», sagt die Reinigungskraft aus Root LU zu Blick. Aber: «Es stinkt fast alles nur noch nach Fäkalien!»

Stefanie Odianosen sagt, sie habe die Diagnose Kakosmie erhalten. Diese wird als so genanntes «Fehlriechen» bezeichnet. Dabei ist die normale Geruchswahrnehmung verändert. Viele Gerüche wirken auf einmal sehr unangenehm. Kakosmie tritt beispielsweise nach Virusinfekten auf – wie etwa bei Covid-19.

So kriegte Stefanie Odianosen Corona

«Einer meiner drei Söhne kam anfangs Juli letzten Jahres plötzlich mit Schnuderi von der Schule heim», erinnert sie sich. Dies, nachdem es an dessen Schule einen Corona-Fall gegeben habe. «Da habe ich gedacht, wir lassen uns testen.»

Resultat: Nicht nur ihr Sohn, sondern auch sie selber hatte Corona. «Weil ich zu dem Zeitpunkt noch nicht geimpft war, hat es mich ziemlich erwischt», sagt Odianosen. Sie habe «Kopfweh wie noch nie», Gliederschmerzen und zirka 39 Grad Fieber gehabt sowie den Geruchs- und Geschmackssinn verloren. «Ich konnte fast nicht mehr und hatte auch Atemnot. Es war überhaupt keine normale Grippe, wie viele meinen.»

Vor zwei Monaten fing alles an, «bestialisch zu stinken»

Während ihr Sohn nach zehn Tagen die Wohnung wieder verlassen durfte, musste die Mutter zwölf Tage in Isolation verbringen. «So richtig gesund wurde ich erst wieder nach etwa einem Monat», sagt sie. Da habe sie auch den Geruchs- und Geschmackssinn einigermassen wieder erhalten und wieder normal essen können.

Doch dann, vor zwei Monaten, habe «plötzlich alles angefangen, bestialisch zu stinken». Sie habe zuerst an ein Desinfektionsmittel gedacht, das man überall rieche. «Aber ich hatte falsch gedacht», so Stefanie Odianosen. «Es stank das meiste in meiner Wohnung!». Der Kaffee am Morgen, die Zahnpasta, das Shampoo, ihr Lieblingsparfum, das Abwaschmittel oder das Waschmittel. «Auch der Duft, der entsteht, wenn man eine Kerze ausbläst, konnte ich nicht mehr ertragen.»

Immerhin mit Wasser und Tee den Durst löschen

Das Allerschlimmste sei jedoch: «Ich konnte kein Fleisch, keine Früchte und kein Gemüse mehr essen. Bis heute nicht!» Sie ernährte sich nur noch von Milchprodukten, Fisch oder «Käse, Laugenbrot und Lebkuchen». Mit Wasser und Tee könne sie «immerhin» noch ihren Durst löschen.

Sie sei damals, als Mitte Oktober alles zu stinken anfing, sofort zum Hausarzt. Dieser habe ihr gesagt, dass nach einer Covid-19-Infektion der normale Geruchs- und Geschmackssinn eigentlich wieder zurückkehre. «Deshalb hat er mich an eine MRI-Untersuchung geschickt», so Odianosen.

Dort sei sie am 9. November gewesen und an eine Neurologin verwiesen worden. «Sie hat dann am 10. Dezember Tests mit mir gemacht und die Diagnose Kakosmie gestellt. Das ist der Grund, das ich fast alles nur noch als ekelhaft wahrnehme.» Man habe ihr gesagt, dass sie nicht die einzige betroffene Person sei. Eine Heilung sei jedoch nicht in Sicht: «Es gibt für diese Krankheit kein Medikament.»

Die 35-Jährige möchte «Menschheit wachrütteln»

Einzig in die Physiotherapie, die Odianosen ab Januar wahrnehmen möchte, könne man gehen, um den Geruchs- und Geschmacksinn zu trainieren. «Ob ich diese beiden Dinge überhaupt je wieder kriegen werde, ist offen. Ich hoffe es natürlich», sagt sie. «Es existieren dazu nämlich noch keine Langzeitstudien.»

Jeder Fünfte leidet unter Long-Covid

Jeder fünfte Covid-Patient leidet unter Langzeitfolgen, dem gefürchteten Long-Covid. Das zeigt eine Studie von Epidemiologe Milo Puhan von der Universität Zürich. Therapiemöglichkeiten gibt es bisher kaum, wie Puhan gegenüber Blick erklärt: «Am Anfang dachten wir, dass die meisten Betroffenen nach zwölf Monaten keine Symptome mehr haben. Das hat sich aber als falsch herausgestellt.»

Die Auswirkungen beschränken sich dabei nicht nur auf die Lunge, einige Patienten beklagen auch, nicht mehr klar denken zu können, oder sie riechen und schmecken nicht mehr richtig, so der Experte.

Dass die Forschung im Bereich Long-Covid noch ganz am Anfang stehe, sei für Betroffene frustrierend. «Auf Therapieebene läuft in der Forschung noch nicht so viel.» Was Puhan zusätzlich Sorgen macht: «Wenn Omikron genauso häufig zu Long-Covid führt, werden wir eine grosse Anzahl Personen in der Schweiz haben, die darunter leidet.

Jördis Frommhold ist Ärztin an der Reha-Klinik Heiligendamm in Deutschland und beschäftigt sich seit Beginn der Pandemie mit den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Auch sie ist überzeugt, dass Long-Covid unsere Gesellschaft noch lange beschäftigen wird. «Das wird uns möglicherweise länger begleiten als die akute Infektion.»

Dabei gibt es keine speziellen Symptome während der Corona-Infektion, die auf Spätfolgen hindeuten. Konkret: Es kann jeden Infizierten treffen. Für die Ärztin liegt die Lösung darum in der Impfung und der Reduktion des Ansteckungsrisikos: «Wenn ich nicht infiziert werde, kann ich auch kein Long-Covid entwickeln.»

Jeder fünfte Covid-Patient leidet unter Langzeitfolgen, dem gefürchteten Long-Covid. Das zeigt eine Studie von Epidemiologe Milo Puhan von der Universität Zürich. Therapiemöglichkeiten gibt es bisher kaum, wie Puhan gegenüber Blick erklärt: «Am Anfang dachten wir, dass die meisten Betroffenen nach zwölf Monaten keine Symptome mehr haben. Das hat sich aber als falsch herausgestellt.»

Die Auswirkungen beschränken sich dabei nicht nur auf die Lunge, einige Patienten beklagen auch, nicht mehr klar denken zu können, oder sie riechen und schmecken nicht mehr richtig, so der Experte.

Dass die Forschung im Bereich Long-Covid noch ganz am Anfang stehe, sei für Betroffene frustrierend. «Auf Therapieebene läuft in der Forschung noch nicht so viel.» Was Puhan zusätzlich Sorgen macht: «Wenn Omikron genauso häufig zu Long-Covid führt, werden wir eine grosse Anzahl Personen in der Schweiz haben, die darunter leidet.

Jördis Frommhold ist Ärztin an der Reha-Klinik Heiligendamm in Deutschland und beschäftigt sich seit Beginn der Pandemie mit den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Auch sie ist überzeugt, dass Long-Covid unsere Gesellschaft noch lange beschäftigen wird. «Das wird uns möglicherweise länger begleiten als die akute Infektion.»

Dabei gibt es keine speziellen Symptome während der Corona-Infektion, die auf Spätfolgen hindeuten. Konkret: Es kann jeden Infizierten treffen. Für die Ärztin liegt die Lösung darum in der Impfung und der Reduktion des Ansteckungsrisikos: «Wenn ich nicht infiziert werde, kann ich auch kein Long-Covid entwickeln.»

Die 35-Jährige geht mit ihrem Leiden an die Öffentlichkeit, «um die Menschheit wachzurütteln». Denn: «Das Covid-Virus ist definitiv nicht nur eine leichte Grippe.» Es könne den Körper komplett durcheinanderbringen. «So etwas kann man sich gar nicht vorstellen.» Sie habe sich inzwischen, obwohl sie als Genesen gelte, nun ein erstes Mal impfen lassen und habe «nur ein wenig Armschmerzen» gehabt.

Dennoch: Ihre Lebensfreude halte sich in Grenzen, ihre Lebensqualität sei «dahin». Odianosen: «Ich habe keine Ahnung, ob ich je wieder den Duft eines Kaffees, eines frischen Brotes oder ein feines Essen mit der Nase oder der Zunge wahrnehmen kann.»

Kinder müssen ihr helfen beim Kochen

Am meisten stört Stefanie Odianosen, dass sie für ihre drei Kinder täglich ausgewogen kochen möchte. «Das ist für mich jedes Mal eine riesige Herausforderung», sagt sie. Sie könne nicht mal mehr unterscheiden, ob die Lebensmittel noch gut oder verdorben seien. «Ich bin auch nicht mehr in der Lage, das Gericht richtig abzuschmecken.» Die Lust zum Essen, geschweige denn zum Kochen, sei ihr mittlerweile «vergangen». Es seien ihre Kinder, die ihr nun helfen müssen.

Trotz allem möchte Stefanie Odianosen nicht klagen. «Ich erzähle lediglich, was das Virus mit uns anrichten kann.» Sie habe erfahren, dass es tatsächlich Menschen geben soll, die sich mutwillig mit dem Covid-Virus anstecken würden, um ein Zertifikat zu bekommen. Sie sagt: «Überlegt es euch zwei Mal. Auch für eure Mitmenschen, die ihr dann vielleicht ebenfalls ansteckt. Es ist kein schönes Leben mehr, wenn man es auf diese Art leben muss.»

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