Leonard Coldwell (63) behauptet, Krebs heilen zu können – Luzerner verbreiten seine gefährliche Theorie
Die unheile Welt des Wunderheilers

Der deutsche Wunderheiler Dr. Coldwell macht Heilungsversprechen mit seiner Methode IBMS. 35’000 Krebspatienten habe er erfolgreich behandelt, sagt er. Er hat in Luzern drei Jünger gefunden, die nach seinen pseudomedizinischen Methoden praktizieren.
Publiziert: 30.10.2021 um 00:36 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2021 um 21:33 Uhr
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Dr. Coldwell heisst eigentlich Bernd Klein. Er ist ein Verschwörungstheoretiker und selbsternannter Wunderheiler.
Foto: Screenshot
Tobias Ochsenbein, Viktor Dammann

«Dr. Coldwell ist sicher: Im September sind fast alle Geimpften tot.» Diese abstruse Prognose äusserste der deutsche Schlagersänger und Corona-Leugner Michael Wendler (49) im August dieses Jahres in seinem Telegram-Kanal.

Dr. Leonard Coldwell (63) ist ein deutscher Verschwörungstheoretiker und selbsternannter Heiler. Eigentlich heisst er Bernd Klein und war einmal Motivationstrainer. Irgendwann ging er in die USA und nannte sich Dr. Coldwell.

Krebsheilquote von 92,3 Prozent

In Coldwells Biografie, die er selbst verfasst hat, steht: «Dr. C.» sei die weltweit grösste Autorität für Heilmethoden bei Krebs. Auf verschiedenen Webseiten wirbt Coldwell mit einer Krebsheilungsrate von 92,3 Prozent. Und sagt, er habe bereits 35’000 Krebspatienten erfolgreich geheilt – auch seine an Krebs erkrankte Mutter.

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Sein Steckenpferd ist das «Instinct Based Medicine System» (IBMS, Instinkt basierte Medizin). Die Methode besagt, die Hauptursache für Krankheiten sei mentaler und emotionaler Stress. Jeder Krebs, behauptet er, sei darum in wenigen Wochen heilbar. Das vermeintliche Erfolgsrezept: Positives Denken ist gesund. Stress macht krank.

Seriöse Belege für diese Behauptungen nennt er allerdings nie. Auch nicht auf Anfrage von Blick. Sowieso ignoriert er die an ihn gestellten Fragen.

Autobomben und Auftragskiller

Dass er auch anders kann als schweigen, machen Recherchen auf Youtube deutlich. Dr. Coldwell ist ein gewiefter Redner. Wie es sich für einen Guru gehört, emotionalisiert und begeistert er, schwört die Menschen auf seine Sache ein. Seine Lieblingsthemen: die Lügen der Ärzte, der Industrie und der Politik. Coldwell wirft der Pharmaindustrie Betrug vor. Er behauptet sogar, sie bekämpfe ihn mit Autobomben und Auftragskillern.

Trotz der irren Behauptungen hat «Dr. C.» Anhänger – auch in der Schweiz. In Luzern etwa operieren drei stramme Coldwell-Jünger und bieten IBMS-Coachings an. Auf ihrer Webseite holen sie die Menschen in ihren Sehnsüchten und Gefühlen ab. Und sie zitieren fragwürdige pseudomedizinische Aussagen Coldwells. Zum Beispiel: «Bei Chemotherapien ist die Frage nur, was sie zuerst umbringt, der Krebs oder die Chemotherapie.»

Ehemaliger Hotelier ist Schweizer Coldwell-Jünger

Einer dieser IBMS-Coaches heisst Roland K.* (71). Er war 30 Jahre lang erfolgreicher Hotelier in St. Moritz. Schon in Hotel-Kreisen galt er als begnadeter Geschichtenerzähler. Eine Eigenschaft, die ihm geblieben ist. Auf der Webseite der IBMS-Coaches schreibt er über sich: «Ich habe schon so viele Klienten gecoacht und habe auch beste Resultate vorzuweisen in allen Lebensbelangen wie: Depressionen, Krebs, Burnout, sexuelle Probleme, Partnerschaftsprobleme, Geldsorgen usw.» Weder er noch seine beiden Mitstreiter legen dafür Beweise vor, als Blick danach fragt.

Der bekannte Gerichtspsychiater Frank Urbaniok (59) hat zu Dr. Coldwell und seinen Luzerner Jüngern ein Video veröffentlicht. Er sagt darin: «Die Luzerner Coaches versprechen extrem positive Erfolgsaussichten, erzählen nicht überprüfbare Anekdoten und machen die allergrössten Heilungsversprechen. Vor allem aber werden Zahlen und scheinbar belegbare Erkenntnisse in den Raum gestellt, die jeder objektiven wissenschaftlichen Erkenntnis widersprechen.» Als jemand, der selber eine schwere Krebserkrankung überstanden hat, sagt Urbaniok: «Kranke Personen können eher auf solche Angebote anspringen und darin den rettenden Strohhalm sehen.»

Laut Coldwell und anderen solchen Coaches sei die Person der Grund für ihr Problem – aber auch die einzige Lösungsinstanz, sagt Urbaniok. «Das ist bequem für die Beratenden. Denn kommt es bei der Heilung – aus welchen Gründen auch immer – zu einer günstigen Entwicklung, dann war das die Methode. Kommt es zu einer schlechten Entwicklung, dann war das die Unfähigkeit oder der fehlende Wille der Patienten.»

Gefahr für Patienten

Das Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern sieht im Angebot der Luzerner IBMS-Coaches indes kein Problem. Für die Bevölkerung sei ohne weiteres erkennbar, dass es sich beim Angebot nicht um ein ärztliches oder therapeutisches Angebot handle. Im Kanton Luzern brauche es für solche Dienstleistungen keine Bewilligungspflicht. Grundsätzlich gelte die Selbstverantwortung der Personen, die solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen. «Problematisch sind solche Angebote dann, wenn kranke Personen von den Anbietern aktiv davon abgehalten werden, sich einer medizinisch notwendigen Behandlung zu unterziehen und dadurch in ihrer Gesundheit geschädigt werden», heisst es weiter. Solche Hinweise bestünden aber im aktuellen Zeitpunkt nicht.

Anders sieht das Urbaniok. Um sich juristisch abzusichern, sagen die IBMS-Leute, sie würden nicht heilen, sondern nur beraten. Gleichzeitig behaupten sie, sie hätten die einzige wirksame Krebs-Behandlungsmethode. Die ärztlichen Methoden hingegen seien alle unwirksam. Laut Urbaniok besteht dadurch die Gefahr, dass Patienten wirksame medizinische Therapien zu spät oder gar nicht anwenden. Das Risiko: schwere gesundheitliche Schäden.

* Name geändert

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