Menschen, die an Zöliakie leiden, haben bisher von der Invalidenversicherung (IV) eine Entschädigung erhalten. Ab dem 1. Januar ist damit Schluss. Im Zuge der IV-Revision wurden die Voraussetzungen, die für ein Geburtsgebrechen gegeben sein müssen, überarbeitet.
Zöliakie wurde dabei von der Liste der Geburtsgebrechen gestrichen. Der Grund: Als Geburtsgebrechen gelten neu nur solche Krankheiten, die einen bestimmten Schweregrad aufweisen, schreibt das Bundesamt für Sozialversicherungen. Auch müssen sie eine lang dauernde oder komplexe Behandlung erfordern. Dies sei bei Zöliakie offenbar nicht mehr der Fall.
Valentina wuchs nicht mehr
Von der neuen Regelung betroffen ist auch die siebenjährige Valentina aus Brunnen SZ. Ab kommendem Jahr hat das Mädchen keinen Anspruch mehr auf eine IV-Pauschalentschädigung. Denn auch die Entschädigung für Kinder bis 20 Jahre wurde ersatzlos gestrichen.
Mutter Maria Grazia Siclari (43) erzählt Blick: «Die Diagnose wurde bei meiner Tochter im März dieses Jahres gestellt. Da sie noch eine andere Autoimmunerkrankung – eine Blutkörper-Erkrankung – hat, dachten wir uns lange nichts dabei, wenn sie wieder mal müde, gereizt oder antriebslos war.»
Doch das Mädchen leidet oft an Durchfall. Seit rund zwei Jahren sei Valentina nicht richtig gewachsen und habe kaum an Gewicht zugenommen, erzählt die Mutter. Eine Eisenkur schlägt nicht an. Siclari spürt, dass etwas nicht stimmt. «Mein Mutterinstinkt sagte mir, dass es doch nicht sein könne, dass ein italienisches Mädchen so dünn und blass ist. Ich sagte den Ärzten, dass Valentina seit längerem um die 20 Kilo schwer ist und nicht zunimmt.»
Daraufhin wurde Valentina auf Zöliakie getestet. «Ich wusste nicht mal, was das ist», sagt die Mutter. Die Tests bestätigen den Verdacht. «Für mich brach eine Welt zusammen. Ich war überfordert mit der Situation. Ich wusste, dass sich Valentinas Leben für immer verändert. Denn künftig muss sie sich glutenfrei ernähren», sagt die 43-Jährige. Andernfalls erhöhe sich das Risiko, dass die Erstklässlerin an Darmkrebs erkranke.
Lymphdrüsenkrebs kann die Folge sein
Menschen, die an der Krankheit Zöliakie leiden, haben eine ausgeprägte Glutenunverträglichkeit. Konsumieren diese Personen glutenhaltige Produkte wie Pasta oder Brot, entzündet sich ihre Dünndarmschleimhaut stark – und manchmal auch andere Organe. So kann der Darm keine Nährstoffe mehr aufnehmen.
Daraus resultieren unter anderem Beschwerden wie Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust. Langfristig kann es gar zu Mangelernährung und Lymphdrüsenkrebs kommen.
Mehrkosten für arme Familien
Die Familie von Valentina hat für das Jahr 2021 rund 900 Franken als Pauschalentschädigung erhalten. Für 2022 wäre es ein bisschen mehr gewesen. «Jetzt kriegen wir aber gar nichts. Diese Finanzspritze wäre sehr hilfreich gewesen für uns. Ich bin enttäuscht, traurig und wütend», sagt ihre Mutter.
Auch Tina Toggenburger, Präsidentin des Verbands IG Zöliakie, kritisiert den Entscheid der Behörden. «Zöliakiebetroffene müssen im Vergleich zu einer normalen Ernährung mit deutlichen Mehrkosten – rund 200 Franken pro Monat – rechnen», sagt sie zu «20 Minuten». Besonders für Familien mit niedrigem Einkommen wiegen die finanziellen Einbussen schwer.
Das sieht auch Siclari so. «Glutenfreie Nahrungsmittel sind sehr teuer. Ich persönlich finde sie überteuert. Deshalb war dieses Geld von der IV auch so wichtig. Für ein Kilo glutenfreies Mehl muss ich statt 90 Rappen zwischen sechs und acht Franken zahlen. 400 Gramm glutenfreie Pasta kosten 3.50 Franken!», zählt die Mutter auf.
«Aber es bleibt uns keine Wahl, denn ohne glutenfreie Produkte kann Valentina nicht normal leben. Gegen Zöliakie gibt es weder ein Medikament noch eine Heilungsmöglichkeit. Das Einzige, was man tun kann: sich ein Leben lang glutenfrei ernähren.»