Gestern vor 60 Jahren ist die Umweltschutzorganisation WWF gegründet worden. Sie sind der Chef der Schweizer Sektion. Warum braucht es den WWF auch heute noch?
Thomas Vellacott: Etwa, weil wir mit dem Ziel, vor 2050 netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen, in den nächsten Jahrzehnten eine riesige Aufgabe vor uns haben, die in dieser Grössenordnung nur mit der industriellen Revolution vergleichbar ist. Wir müssen die Biodiversität erhalten und eine nachhaltige Ressourcennutzung schaffen. Dazu braucht es so schnell wie möglich einen tief greifenden Wandel. Der WWF ist also sehr gefordert.
Sind Sie zuversichtlich, dass dieser Wandel möglich ist?
Ich will die Situation nicht beschönigen. Es ändert sich zwar etwas, aber noch viel zu langsam. Hoffnung gibt mir, dass sich zum Beispiel immer mehr Firmen wissenschaftsbasierte Ziele setzen, um das Netto-null-Ziel zu erreichen. Weit über 1000 Firmen weltweit haben sich schon verpflichtet, sich an dem Standard zu orientieren, den der WWF gemeinsam mit anderen Organisationen dazu erarbeitet hat. Auch im Energiesektor hat sich in kurzer Zeit sehr viel getan: Bereits für mehr als zwei Drittel der Menschheit sind Wind- oder Solarenergie heute die günstigste Energieform. Und dann beobachten wir auch, dass immer mehr Menschen bewusst wird, dass die Gesundheit und Zukunft von uns allen sehr eng mit jener des Planeten verknüpft ist. Eine zentrale Erkenntnis!
Ein wichtiges Thema für den WWF ist auch die Artenvielfalt. Was hat sich da in den letzten 60 Jahren getan?
In diesem Bereich gibt es schlechte und gute Nachrichten. Bei rund der Hälfte der Tierarten geht die Anzahl Tiere zurück – das ist schlimm und muss sich ändern. Bei der anderen Hälfte allerdings nehmen die Bestände wieder zu. Das zeigt, dass man die negative Entwicklung auch wieder stoppen und es wieder aufwärtsgehen kann. So gibt es heute zum Beispiel deutlich mehr Tiger, Pandas und Wale in freier Wildbahn als noch vor zehn Jahren. Das ist ein Erfolg, den der WWF gemeinsam mit anderen Organisationen feiern darf.
Und spezifisch in der Schweiz?
Wir haben hierzulande sehr viel Arbeit in den Schutz der Biodiversität gesteckt. Dadurch kommen heute zum Beispiel Arten wie der Bartgeier oder der Luchs wieder vor. So etwas motiviert auch mich persönlich enorm weiterzumachen. Aber es gibt noch viele Baustellen. Die Leute haben zum Beispiel oft das Gefühl, die Schweiz sei vorbildlich unterwegs, was den Naturschutz angeht. Das ist aber leider nicht der Fall.
Sondern?
Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern gehören wir zu den Schlusslichtern in diesem Bereich. Unsere Gewässer sind etwa extrem verbaut und aquatische Arten stark bedroht. Die Revitalisierung der Gewässer geht viel zu langsam vorwärts und stösst oft auf Widerstand. Das schmerzt, wenn man sieht, wie dringlich eine Lösung des Problems ist. Trotzdem ist es wichtig, dass man die Hoffnung nicht verliert und sich bewusst ist, dass jede und jeder Einzelne etwas verändern kann. Mut machen mir zum Beispiel die über 6000 Freiwilligen, die sich beim WWF für den Erhalt der Natur engagieren.