Noch 2012 war das Eis hier 15 Meter dick, heute ist es praktisch komplett weggeschmolzen. Die beiden Gletscher Scex Rouge und Zanfleuron haben dieses Jahr dreimal so viel an Dicke verloren wie im Durchschnitt der letzten zehn Sommer, wie Glacier 3000 am Donnerstag mitteilt. Bis Ende September werde der Pass vollständig eisfrei sein.
Durch die enorme Gletscherschmelze wurde in dem Gebiet nun der seit über 2000 Jahren von Gletschereis begrabene Zanfleuronpass wieder freigelegt. Die Schweiz hat aber nicht nur einen neuen Pass erhalten – in zehn bis 15 Jahren wird an der Stelle des Gletschers wahrscheinlich auch ein natürlicher See entstehen, der eine Tiefe von etwa zehn Metern und ein Volumen von 250'000 Kubikmetern aufweisen dürfte.
Zukünftiger Zanflouren-See wird klein – aber oho!
Imad Lifa (61) ist Bauingenieur und leitet das Institut der Angewandten Glaziologie an der Fachhochschule Graubünden. Gegenüber Blick erklärt er: «Es wird ein eher kleiner See werden.» Bekannte Gletscherseen wie der Laaxersee oder der Crestasee, beide im Kanton Graubünden, seien etwa doppelt so gross wie der entstehende See. «Die meisten Gletscherseen haben keinen offiziellen Namen, weil sie zu klein sind», sagt Lifa. So würde wohl auch der See am Zanflourenpass genauso heissen: Zanflouren-See. Zumindest, solange sich nur ein See pro Gletscher bildet.
Klein, aber oho: Das zumindest erhofft sich Bernhard Tschannen, CEO von Glacier 3000 vom entstehenden See. Auch wenn es erst in zehn Jahren so weit sein wird, werden schon fleissig Pläne für die Nutzung des neuen Sees geschmiedet, wie Tschannen im Gespräch mit Blick erklärt. «Es gibt bereits Überlegungen, ob man den zukünftigen See für die Beschneiung der Pisten nutzen kann. Im Sommer könnte man ihn für die Stromproduktion nutzen.» Konkrete Projekte seien aber noch nicht in Angriff genommen worden.
Bleibt der Gletschersee bestehen?
Der Zanfleuron-See wäre einer von über 1200 Gletscherseen, die in der Schweiz seit der kleinen Eiszeit um 1850 entstanden sind. Und jedes Jahr kommen rund 18 neue Seen dazu. Zu dieser Erkenntnis kam eine Studie des Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag im vergangenen Jahr. Davon gab es etwa 1000 Seen im Jahr 2016 noch, die anderen wurden wieder mit Sedimentmaterial aufgefüllt.
Ob den Zanfleuron-See das gleiche Schicksal ereilen wird? Ganz genau kann man das nicht vorhersagen. «Bodeneigenschaften und Temperaturen bestimmen, ob die neuen Seen bleiben oder verschwinden. Es muss soviel Wasser in den See einfliessen, wie es aus dem See ausfliesst, damit der See bestehen bleibt.» Die Chancen, dass der zukünftige Zanflouren-See zu einem permanenten See wird, stehen aber gut.