Rassistische und antisemitische Schmierereien an Restaurants und Geschäften
Fasnachtstradition in Payerne VD sorgt für Diskussionen

Anlässlich der Brandons von Payerne im Kanton Waadt werden Restaurants und Geschäfte mit diskriminierenden Sprüchen beschmiert. An der Tradition wird Kritik laut.
Publiziert: 12.03.2025 um 17:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.03.2025 um 17:47 Uhr
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Nach alter Tradition beschmiert eine Fasnachtstruppe in Payerne VD Geschäfte mit grenzwertigen Sprüchen. «Hütet euch vor denen, die es wagen, sie zu entfernen», heisst es auf der Website der «Barbouilles».
Foto: Capture d'écran/Brandons de Payerne

Darum gehts

  • Rassistische Schmierereien bei Fasnacht in Payerne VD sorgen für Empörung
  • Fasnachtskomitee entschuldigt sich und will Tradition mit Respekt verbinden
  • FDP-Politiker Lionel Voinçon nimmt seit Jahren an der Tradition teil
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Léo Michoud und Marian Nadler

Wo hört der Spass auf? Unter dem Deckmantel des Humors versteckt sich in Fasnachtszeiten ab und zu auch Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus. In unterschiedlichen Kantonen kommen deshalb immer wieder Diskussionen auf. Der neueste Stein des Anstosses: Sprüche, die an den Brandons von Payerne im Waadtland an Geschäften der Stadt hinterlassen wurden. Die traditionellen Schmierereien haben schockierte Einwohnerinnen und Einwohner und die politische Linke auf den Plan gerufen.

Es ist nicht die erste Rassismusdiskussion in dieser Fasnachtssaison. In Mosnang SG verkleidete sich eine Gruppe junger Männer als Strandverkäufer und bemalte sich die Gesichter schwarz. Das gefiel nicht allen Einwohnerinnen und Einwohnern des Dorfes.

Im Broyebezirk empört sich Lucien Agasse (34) auf seinem Instagram-Account über die Schmierereien. Agasse ist von Beruf Fotograf und kenne die Thematik «als Betroffener», erklärt er gegenüber Blick am Montag.

Die Tradition bestehe darin, «die Geschäftsleute der Stadt zu necken, indem sie auf ihre Schaufenster knackige Anekdoten schreiben», schreiben die Fasnächtler auf der Website der Brandons von Payerne. Vom 7. bis 10. März wurden Restaurants, Geschäfte und andere Gemeindegebäude von Maskierten so auf die Schippe genommen.

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«Wir haben die Kakerlake vergast»

«Hund nur in der Küche erlaubt», steht auf der Vorderseite eines thailändischen Restaurants. «Endgültige Liquidation: Ausverkauf von 39 bis 45 Prozent», steht auf dem ehemaligen Manor, das kürzlich von dessen Chef Bertrand Bladt, der jüdischer Herkunft ist, geschlossen wurde. Auf das Fenster des Marionnaud gegenüber, einem Manor-Konkurrenten, hat jemand «Wir haben die Kakerlake vergast. Wir haben das Monopol» geschmiert. Auf einem libanesischen Restaurant liest man zudem von einer fertigen Bestellung, die «Bombe» sei.

Es geht also um Humor, der sich dann und wann auf lokale und internationale Nachrichten bezieht. «Was mir auffiel, war die Tatsache, dass es eine echte Ausrichtung auf Geschäfte aus anderen Kulturen gab, indem jedes Mal auf die Herkunft angespielt wurde», bemerkt Agasse. Die «traditionellen» Geschäfte hätten eher Standardwitze zu hören bekommen, die nicht bösartig waren. Auch die Politik reagierte: Mathilde Marendaz (27), Abgeordnete von Ensemble à Gauche im Waadtländer Grossen Rat, sieht in den Schmierereien «unerträgliche rassistische Äusserungen», wie sie auf Instagram kommentierte.

Ist der Kanton Teil des Problems?

Der Waadtländer Agasse ist sogar der Meinung, dass sich einige Menschen in Payerne während der Fasnacht nicht willkommen fühlen: «Das betrifft einige der rassistisch diskriminierten Personen oder einige, die im Quartier Vernes wohnen, das ausserhalb der Stadt liegt und multikultureller ist.»

Antisemitismus in Payerne?

«Das ist ein Thema, das mehr schmerzt als alles andere. Ich empfinde das als direkten Angriff», sagt Bertrand Bladt, der am Dienstag von Blick kontaktiert wurde. Der frühere Chef des Manor im Stadtzentrum ist Jude «von Geburt an, aber nicht praktizierend». Jetzt wird er direkt mit zwei antisemitischen Inschriften konfrontiert.

«Endgültige Liquidation: Ausverkauf von 39 bis 45 Prozent» ist auf dem Shop zu lesen, der gerade seine Türen geschlossen hat. «Wir haben die Kakerlake vergast. Wir haben das Monopol», steht gegenüber auf dem Fenster von Marionnaud, einem Konkurrenten von Manor, der nur wenige Meter entfernt liegt.

Mit «Kakerlake» ist vermutlich Bladt gemeint, der sich jüngst in den Altersteilzeitruhestand verabschiedete. «Das Schockierende ist, dass ich seit 35 Jahren in Payerne wohne und nie Probleme hatte. Ich bin unpolitisch. Und ich glaube, ich bin meiner Bürgerpflicht nachgekommen, indem ich 26 Jahre lang freiwilliger Feuerwehrmann war.»

«Eine Zurschaustellung menschlicher Dummheit»

Antisemitismus ist ein symbolträchtiges Thema in der Geschichte der Kleinstadt mit über 10'000 Einwohnern. In Payerne ist die Familie Bladt auch als Opfer der Payerne-Kriminalaffäre bekannt, einem antisemitischen Mord, der 1942 von einer Nazi-Gruppe verübt wurde und zum Tod des jüdischen Viehhändlers Arthur Bloch führte. Der Roman «Ein Jude als Beispiel» von Jacques Chessex erzählt die Geschichte dieses Ereignisses.

«Den Leuten, die das getan haben, war vielleicht nicht klar, dass sie damit alten Schmerz wieder aufwühlten», sagt Bertrand Bladt traurig. «Man macht aus einem sympathischen Volksfest etwas, das wirklich auf einem niedrigen Niveau ist. Das ist eine Zurschaustellung der menschlichen Dummheit und ausserdem unpassend und gemein.»

«Das ist ein Thema, das mehr schmerzt als alles andere. Ich empfinde das als direkten Angriff», sagt Bertrand Bladt, der am Dienstag von Blick kontaktiert wurde. Der frühere Chef des Manor im Stadtzentrum ist Jude «von Geburt an, aber nicht praktizierend». Jetzt wird er direkt mit zwei antisemitischen Inschriften konfrontiert.

«Endgültige Liquidation: Ausverkauf von 39 bis 45 Prozent» ist auf dem Shop zu lesen, der gerade seine Türen geschlossen hat. «Wir haben die Kakerlake vergast. Wir haben das Monopol», steht gegenüber auf dem Fenster von Marionnaud, einem Konkurrenten von Manor, der nur wenige Meter entfernt liegt.

Mit «Kakerlake» ist vermutlich Bladt gemeint, der sich jüngst in den Altersteilzeitruhestand verabschiedete. «Das Schockierende ist, dass ich seit 35 Jahren in Payerne wohne und nie Probleme hatte. Ich bin unpolitisch. Und ich glaube, ich bin meiner Bürgerpflicht nachgekommen, indem ich 26 Jahre lang freiwilliger Feuerwehrmann war.»

«Eine Zurschaustellung menschlicher Dummheit»

Antisemitismus ist ein symbolträchtiges Thema in der Geschichte der Kleinstadt mit über 10'000 Einwohnern. In Payerne ist die Familie Bladt auch als Opfer der Payerne-Kriminalaffäre bekannt, einem antisemitischen Mord, der 1942 von einer Nazi-Gruppe verübt wurde und zum Tod des jüdischen Viehhändlers Arthur Bloch führte. Der Roman «Ein Jude als Beispiel» von Jacques Chessex erzählt die Geschichte dieses Ereignisses.

«Den Leuten, die das getan haben, war vielleicht nicht klar, dass sie damit alten Schmerz wieder aufwühlten», sagt Bertrand Bladt traurig. «Man macht aus einem sympathischen Volksfest etwas, das wirklich auf einem niedrigen Niveau ist. Das ist eine Zurschaustellung der menschlichen Dummheit und ausserdem unpassend und gemein.»

Seit Tagen sind die Botschaften auf den Geschäften für jeden sichtbar. «Man muss nur auf die Strasse gehen, um darauf zu stossen. Ich zum Beispiel wollte gerade zum Bahnhof gehen, bevor ich rassistische, antisemitische, sexistische Äusserungen bemerkte.» Andere Sprüche greifen Frauen oder auch Menschen mit Behinderungen an.

Laut Agasse ist der Kanton Teil des Problems. Mit Blick auf die vom 17. bis 23. März stattfindende Aktionswoche gegen Rassismus, an der Payerne aktiv teilnimmt, kritisiert er: «Soll man nur in dieser Woche von Rassismus sprechen? Für mich ist das vor allem eine Art, sich selbst zu entlasten.»

Brandons von Payerne entschuldigen sich

Und das Payerner Fasnachtskomitee? Es entschuldigt sich am Dienstagnachmittag für die Reaktionen, die die Schaufenster-Aktion hervorgerufen hat, und zwar «bei allen, die möglicherweise davon betroffen waren».

«Es handelt sich um eine Zeit der freien Meinungsäusserung, in der mit sozialen Codes, öffentlichen Figuren und Nachrichten gespielt wird, oft mit Übertreibung und Ironie», rechtfertigt sich das Komitee. Für das Komitee gehören die Tags zur Fasnacht dazu. Man will «zum Lachen, Nachdenken und manchmal sogar zum Ansprechen bestimmter gesellschaftlicher Themen» anregen.

Das Komitee versichert, es sei sich völlig bewusst, «dass Satire eine heikle Angelegenheit ist und dass die Grenze zwischen beissendem Humor und Beleidigung schmal sein kann». Die Brandons von Payerne bedauern daher die Art und Weise, wie bestimmte Botschaften möglicherweise interpretiert wurden, und versichern, dass sie «Überlegungen anstellen, um die satirische Tradition mit Respekt zu verbinden».

«Wir müssen das Positive sehen»

Wie Blick erfuhr, gehört der FDP-Politiker Lionel Voinçon zu der Gruppe, die die Läden mit den Sprüchen versah. Der ehemalige Gemeinderat und frühere Assistent von FDP-Staatsrätin Christelle Luisier (50) hat mit Blick gesprochen. 

«Ich für meinen Teil bin seit drei Jahren dabei», sagt der Sohn eines französischen Vaters und einer mauritischen Mutter. Er bedauere, dass möglicherweise die Gefühle einiger Personen durch die Schmierereien verletzt wurden. «Das war nicht unsere Absicht.» Voinçon sieht darin nun eine Gelegenheit für die Fasnächtler, sich selbst zu hinterfragen.

«Grundsätzlich sehe ich die Möglichkeit, eine Debatte zu eröffnen: Wie können wir die jahrhundertealte Tradition des Karnevals weiterentwickeln, um sie an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen?», so der Liberale.

Voinçon spricht auch über seine eigene Erfahrung mit Rassismus. «Ich habe die Realität des Rassismus in der Schweiz täglich erlebt», sagt er, um dann hinzuzufügen: «Ich möchte mein Leben nicht damit verbringen, mich selbst zu bemitleiden». Der Gemeindevertreter und leidenschaftlicher Fasnächtler betont: «Wir müssen das Positive sehen.»

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