Am Donnerstagabend kam es auf der Strecke zwischen Yverdon VD und Sainte-Croix VD zu einer Geiselnahme. Der Täter war mit einer kleinen Axt bewaffnet und hielt über ein Dutzend Geiseln stundenlang in einem Zug fest. Nach langen Verhandlungen mit der Polizei, sprengten die Einsatzkräfte einen Teil des Zuges und stürmten diesen kurz daraufhin. Der Geiselnehmer wurde, nachdem er die Einsatzkräfte angegriffen hatte, getötet. Die Geiseln konnten unverletzt befreit werden.
«Sieht man sich das Resultat an, verlief der Einsatz erfolgreich», sagt Markus Melzl (71), ehemaliger Basler Kriminalkommissar. «Die Geiseln wurden gerettet, der Geiselnehmer – wie man in der Fachsprache sagt – neutralisiert.»
Explosion zur Ablenkung
Wie Videos zeigen, kam es kurz vor dem Zugriff zu einer Explosion. Das sei nicht ungewöhnlich, sagt Melzl, wobei normalerweise mit Blend- oder Schockgranaten vorgegangen werde: «Solche sogenannten Irritationsmittel sorgen sowohl beim Geiselnehmer als auch bei den Geiseln für Verwirrung. Man ist kurzzeitig nicht fähig, die Umgebung wahrzunehmen.»
Die Einsatzkräfte seien derweil mit Spezialbrillen ausgerüstet und könnten sich im entstandenen Chaos zurechtfinden. Dass es zu einer Sprengung kommt, wie im Video, sei aber aussergewöhnlich, sagt Melzl. «Die oberste Maxime der Einsatzkräfte ist es, sich zwischen Geiselnehmer und Geiseln zu stellen und Schlimmeres zu verhindern», so Melzl. Das habe in diesem Fall funktioniert.
Zuvor verhandelten die Einsatzkräfte stundenlang mit dem Geiselnehmer. Melzl dazu: «Das Ziel ist es immer, den Geiselnehmer zur Aufgabe zu zwingen, ohne falsche Versprechungen zu machen.» Dem Täter müsse klar sein, dass es keinen Ausweg aus der Situation gibt.
Sprachbarriere macht Verhandlungen schwierig
Im aktuellen Fall wurde ein Dolmetscher aufgeboten. «Man versucht immer, einen Schusswaffeneinsatz zu verhindern», so Melzl. Solche Verhandlungen hätten aber ihre Tücken: «Bei Verhandlungen mit fremdsprachigen Geiselnehmern kann es immer wieder zu Missverständnissen kommen.» Die Übersetzung sei schwierig und zeitraubend. Zudem sei der Geiselnehmer häufig in einer psychischen Ausnahmesituation, was es schwierig mache, an ihn heranzukommen.
Der Geiselnehmer wurde bei der Intervention der Einsatzkräfte durch einen Schusswaffeneinsatz getötet. Den Täter zu töten sei aber nie das primäre Ziel, so Melzl: «In solch einer unübersichtlichen Situation wird ‹auf Mann› geschossen.» Also auf den Körper. Das könne schnell tödlich enden.
Melzl gibt aber zu bedenken: «Man wusste ja nicht, ob es bei der kleinen Axt bleibt. Der Geiselnehmer könnte auch eine Handgranate hervornehmen oder gar Schlimmeres.» Wie in solchen Fällen üblich, hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die Einsatzkräfte eröffnet, um die Rechtmässigkeit des Vorgehens zu klären.