Am Dienstagmorgen hat die Neuenburger Staatsanwaltschaft an einer Medienkonferenz über die mutmassliche Entführung zweier Brüder (7) von Mitte Oktober in La Chaux-de-Fonds informiert. Die Zwillinge wurden am 14. Oktober vom Vater mit dem Auto mitgenommen und tags darauf in Frankreich aufgefunden. Die mutmassliche Entführung steht im Zusammenhang mit einem Sorgerechtsstreit. Nach dem Erlass eines internationalen Haftbefehls durch die Neuenburger Behörden wurden in Frankreich drei Personen verhaftet, unter ihnen der Vater.
Bei beiden Elternteilen handelt es sich um spanische Staatsangehörige. Die Mutter habe sich kürzlich in der Schweiz niedergelassen, erklärte der Neuenburger Generalstaatsanwalt Pierre Aubert an der Medienkonferenz. Sie habe das alleinige Sorgerecht in Spanien, allerdings mit Reisebeschränkungen. Der Vater hat ein Besuchsrecht. Im Zentrum der Ermittlungen stünden jedoch primär die Vorgänge vom 14. Oktober und nicht die familiären Hintergründe, sagte Aubert. Diese seien durch die Vormundschaftsbehörden zu beurteilen.
Vater bestreitet Vorwürfe
Die drei Verdächtigen kamen damals kurz nach der Verhaftung wieder auf freien Fuss. Der Vater der beiden siebenjährigen Buben hat eine Entführung sowie jegliche Gewaltanwendung stets bestritten. Nach seinen Angaben war er aus Spanien nach La Chaux-de-Fonds gekommen, um sein Besuchsrecht auszuüben. Vor Ort habe niemand auf seine Anrufe reagiert. Als er gesehen habe, dass die Kinder in den Garten hinausgegangen seien, habe er sie gerufen. Die Zwillinge seien gekommen und in das Auto gestiegen, erklärte er.
Der Vater konnte von den Neuenburger Behörden bisher nicht befragt werden. Der Grund: Die französischen Behörden verweigerten eine Auslieferung. Als Vorbedingung für eine Befragung in der Schweiz verlangt der Vater freies Geleit. Diesem Wunsch kommt die Neuenburger Staatsanwaltschaft jedoch nicht nach. Sie begründet ihren Entscheid mit der Gefahr eines Rückfalls.
Verletzungen der Grossmutter werden weiter untersucht
Seine Reise nach La Chaux-de-Fonds sei minutiös vorbereitet worden «und nicht wirklich mit einer einfachen Ausübung des Besuchsrechts vereinbar», sagte Aubert. Mittlerweile hält sich der Mann wieder in Spanien auf. Die Neuenburger Staatsanwaltschaft hat in Spanien ein Rechtshilfeersuchen gestellt – der internationale Haftbefehl gegen den Vater besteht weiterhin.
Die Grossmutter, die zum Ereigniszeitpunkt auf die beiden Brüder aufpasste, sagte gegenüber der Neuenburger Polizei aus, sie sei von den Angreifern gefesselt und geknebelt worden. Dabei habe sie sich zwei gebrochene Rippen zugezogen. Den Informationen der Neuenburger Behörden zufolge wurden die Verletzungen der Grossmutter dahingehend untersucht, ob sie mit den von ihr gemachten Aussagen übereinstimmen. Dies sei der Fall, hiess es an der Medienkonferenz. Die Aussagen der Grossmutter seien daher glaubwürdig. Die entsprechenden Untersuchungen seien aber noch nicht abgeschlossen und die Verletzungen deshalb weiterhin Gegenstand der Ermittlungen.
Mehr zum Fall
Kinder trotz Verbot ausser Landes gebracht
Als die Zwillinge in Frankreich gefunden und die drei der Entführung verdächtigten Personen festgenommen worden seien, habe sich sogleich wieder die Familie der Mutter um die beiden Buben gekümmert, sagte Generalstaatsanwalt Aubert am Dienstagmorgen. «Die Grosseltern holten die Kinder in Frankreich ab.»
Gegen den Vater liegen in der Schweiz mehrere Strafanzeigen wegen Morddrohungen gegenüber der Mutter der Kinder vor. In Spanien wird der Mutter Entführung vorgeworfen. Die dortigen Behörden erliessen einen internationalen Haftbefehl gegen sie, weil sie die Kinder trotz Verbot ausser Landes gebracht hatte. Ein Auslieferungsgesuch wurde nicht gestellt. (noo/SDA)