Kurve um Kurve schlängelt sich die schmale Strasse hoch ins Dorf Bister VS. Einige wenige Chalets mit gepflegten Blumengärten säumen den Weg. Links ist Hausnummer 31. Dann müsste rechts doch jetzt die Nummer 32 sein, dort, wo der Gemeindepräsident Edwin Zeiter (71) wohnt? Falsch gedacht! Auch die Nummer 32 ist auf der linken Strassenseite.
Mit einer Filzmütze und gemustertem Hemd läuft das Dorfoberhaupt auf die Strasse: «Hier sind wir!», sagt er zu BLICK und winkt zu sich her. Und klärt sofort das Hausnummern-Wirrwarr auf: «Wir mussten vor einigen Jahren die Häuser neu durchnummerieren. Dann haben wir logischerweise einfach von unten nach oben die Zahlen eins bis 40 verteilt.»
«Das Durchnummerieren war so logisch»
Jetzt habe Bern befohlen, man müsse dies wieder ändern. «Die Häuser auf der einen Seite müssen jetzt gerade Zahlen haben, die gegenüber die ungeraden Nummern.» Die Sache sei gerade Gesprächsthema Nummer 1 – und nicht Corona.
Edwin Zeiter findet es gut, so wie es ist. Nicht immer stehen sich zwei Chalets gegenüber. «Das Durchnummerieren war so logisch angesichts der Grösse von Bister!»
Zeiter ist seit 48 Jahren ununterbrochen im Gemeinderat des Mini-Dorfes. Mit 23 Jahren wurde er zum Vizepräsidenten gewählt. Seit 44 Jahren ist er nun Präsident von Bister und damit der dienstälteste Gemeindepräsident der Schweiz. «Wir haben 32 Einwohner.»
Die Mini-Gemeinde und der Papierkrieg
Die meiste Arbeit mache der Papierkram. «Jeden Monat muss ich nach Bern melden, wie viele neue Einwohner wir in Bister haben», klagt Zeiter. Das sei Unsinn. Schliesslich komme niemand dazu. «Wir melden immer null neue Einwohner. Und auch die Neubauten muss ich monatlich angeben, obwohl hier kaum gebaut wird.» Das System sei halt für grössere Gemeinden ausgelegt.
Diese Arbeiten würde der Hobby-Künstler oft von zu Hause aus erledigen: «Das Gemeindehaus müsste ich extra heizen, und daheim habe ich meinen Computer und bin eingerichtet.» Dann führt Zeiter die Strasse hinunter zum winzigen Chalet, das als Gemeindehaus dient.
«Das ist der kleinste Dorfplatz der Welt», sagt er schmunzelnd, als er vor dem Gemeindehaus steht. Früher sei in den Räumlichkeiten der Gemeinde ein Coop gewesen, nun gebe es kein Geschäft mehr in Bister. Der Rekord-Gemeindepräsident schliesst die Türe auf. Vier Stühle, ein Sessel und ein Sofa. Mehr nicht. «Das genügt für die Gemeindeversammlung. Es kommen ja selten alle Dorfbewohner.»
Parkplatz fegen ist Präsidenten-Ämtli
Richtige Öffnungszeiten der Gemeinde gibt es nicht. «Das ist das Schöne. Ich bin 24 Stunden pro Tag und sieben Tage die Woche Gemeindepräsident. Die Leute können jederzeit einfach bei mir klingeln kommen.»
Als Dorfoberhaupt von Bister gebe es aber mehr zu tun als nur normale Büroarbeit: «Einen Werkhofmitarbeiter anzustellen, wäre hier halt völlig übertrieben. Deswegen gehört das Leeren der Robidog-Kästen zu meinem Amt.» Auch den Parkplatz zu fegen, sei sein Job. Früher habe Zeiter sogar noch die Birnen der Strassenlaternen gewechselt.
Wegen Schneiderlehre gekommen, wegen der Liebe geblieben
An solchen Zeiten erinnert sich Marie Albrecht (94) noch gut. Und an noch viel mehr. Sie ist die älteste Dorfbewohnerin von Bister. Gleichzeitig ist sie die Schwiegermutter von Edwin Zeiter. «Ich habe einen grossen Garten, den bewirtschafte ich immer noch selbst. Ich habe ihn während der Corona-Pandemie sogar selbst umgegraben», erzählt die Rentnerin stolz.
Zudem vermiete sie Ferienwohnungen. Nach Bister gekommen sei sie vor über 70 Jahren wegen ihrer Schneiderlehre: «Dann habe ich hier ein hübsches Bürschchen gesehen. Das war Emil, mein späterer Mann.»
«Meine Gefriertruhe ist bis oben hin gefüllt»
Dass man hier keine Einkaufsmöglichkeit hat und ohne Auto nirgends hinkommt, stört sie nicht. Man müsse sich eben zu helfen wissen. Marie Albrecht zu BLICK: «Ich kenne das nicht anders, und meine Gefriertruhe ist bis oben hin gefüllt.»
Sie liebt das Dorfleben. In der Stadt sei ihr immer alles so fremd vorgekommen, wenn sie ihre Schwester beispielsweise in Luzern besucht hätte. Und bevor 1972 die Kantonsstrasse ins Dorf gebaut wurde, sei man sowieso nur zu Fuss nach Bister gelangt. «Am Sonntag marschierten wir jeweils noch nach Brig zur Messe», erinnert sie sich.
Zeiter will noch sechs Jahre Gemeindeoberhaupt bleiben
Die Zeiten ohne Strasse – die kennt Edwin Zeiter auch noch. «Am Anfang der Liebschaft mit meiner Frau musste ich noch zu Fuss hochwandern», erzählt er spitzbübisch. Auch er ist schlussendlich der Liebe wegen nach Bister gezogen. Mit seiner Frau zusammen zog er hier dann die beiden gemeinsamen Töchter gross.
Der Rekord-Gemeindepräsident strotzt trotz seiner vielen Dienstjahre immer noch vor Energie. «Ich möchte sicher noch anderthalb Perioden als Gemeindepräsident tätig sein. Dann wäre ich genau 50 Jahre im Amt.»
Nur 32 Personen leben in Bister VS. Damit ist das Dorf die kleinste Gemeinde des Wallis. Sie befindet sich auf der Südseite des Tals am Fusse des Bättlihorns auf 1054 Metern über Meer. Die nächsten etwas grösseren Dörfer sind Grengiols im Osten, Termen im Süden und Mörel-Filet im Westen und Norden. Bister hatte früher etwa dreimal mehr Einwohner als heute. Im Jahr 1850 zählte man noch fast 120 Menschen im Dorf! Zwischen 1950 und 2000 schrumpfte die Gemeinde dann etwa auf ihre heutige Grösse.
Nur 32 Personen leben in Bister VS. Damit ist das Dorf die kleinste Gemeinde des Wallis. Sie befindet sich auf der Südseite des Tals am Fusse des Bättlihorns auf 1054 Metern über Meer. Die nächsten etwas grösseren Dörfer sind Grengiols im Osten, Termen im Süden und Mörel-Filet im Westen und Norden. Bister hatte früher etwa dreimal mehr Einwohner als heute. Im Jahr 1850 zählte man noch fast 120 Menschen im Dorf! Zwischen 1950 und 2000 schrumpfte die Gemeinde dann etwa auf ihre heutige Grösse.