Staatsanwaltschaft ermittelt
Missbrauchte Genfer Chirurg seine Patientin?

Ein Chirurg aus Genf soll eine Patientin nicht nur falsch behandelt, sondern auch sexuell missbraucht haben. Weil er unter anderem ihre Notlage ausgenutzt haben soll, wird nun gegen ihn ermittelt.
Publiziert: 03.04.2024 um 13:02 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2024 um 17:41 Uhr
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Ein Genfer Chirurg soll eine Patientin unnötig operiert haben.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Alles begann mit einem scheinbar harmlosen Sturz: Als eine ältere Dame Jacqueline N.* (37) mit ihrem Einkaufswagen anrempelte, fiel die Frau hin. Während es N. zu Beginn noch gut ging, bemerkte sie bald immer stärker werdende Schmerzen im Hüftbereich. Ihre Ärztin überwies sie daraufhin an einen Chirurgen. Gegenüber «Tribune de Genève» erklärt N., dass sich eine «romantische Intimität» zwischen ihr und dem Chirurgen entwickelte – woraufhin die Situation sich verkomplizierte. 

Als es ihr jedoch trotz Physiotherapie und anderweitigen Behandlungen nicht besser ging, riet ihr Chirurg ihr Ende 2021 zu einer Operation. Ob sie über die Risiken eines solchen Eingriffs aufgeklärt wurde, ist nun ebenfalls zum Streitpunkt geworden. Trotzdem wurde diese im November 2021 durchgeführt. Während N. sich von dem Eingriff erholte, kamen die beiden sich immer näher – «die Grenze war verschwommen, weil ich ihn immer noch als Arzt brauchte», erklärte die Betroffene. So kam es im Dezember 2021 zuerst zu Oral- und dann auch zu Geschlechtsverkehr. 

Wegen Gesundheitszustand in Beziehung gefangen

Die Betroffene erzählt, dass sie eine Vergewaltigung zwar ausschliesst, sich aber gefühlt habe wie eine «Sexpuppe», da sie noch immer an starken Schmerzen litt und sich nur stark eingeschränkt bewegen konnte. Von ihren andauernden Beschwerden sei der Chirurg überrascht gewesen – anstatt sie ernst zu nehmen, riet er ihr jedoch, sich in Geduld zu üben, denn die Operation wäre zu 100 Prozent «die Lösung» gewesen. Er habe ihr versichert, sie sei in zwei Monaten wieder vollständig geheilt – doch N. ging es zunehmend schlechter. 

Erst, als ihr Hüftknochen Mitte Februar 2022 brach, war die Beziehung vorbei. Zuvor konnte sie sich nicht von ihm trennen. «Er war sich bewusst, dass ich aufgrund meines Gesundheitszustands nicht in der Lage war, aus dieser Beziehung herauszukommen», erklärte sie der Polizei, «ich war ihm ausgeliefert.» Während sie sich «hässlich, behindert und schwach» fühlte, gab er ihr das Gefühl, begehrt zu werden. Laut N. habe er ihre Notsituation schamlos ausgenutzt.

Hüfte muss nun ersetzt werden

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts auf einen Behandlungsfehler und des Verdachts auf Missbrauch einer Notlage. Der Staatsanwalt beschuldigt den Chirurgen, bei N. «einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff an der Hüfte» vorgenommen zu haben. Aufgedeckt wurde der Fall im November 2023 von N.s Psychiater. Er schrieb, nachdem N. ihm von dem «Missbrauch durch eine Autorität» erzählt hatte, den zuständigen Behörden einen Brief. N. leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, immensem körperlichem und seelischem Leid und Suizidgedanken. Während der Chirurg die Beziehung zwar zugibt, bestreitet er jegliche Aspekte von Zwang – auch den Rest der Vorwürfe streitet er ab.

Weil der Schaden durch die nicht angebrachte Operation unumkehrbar ist, muss N. sich nun einer Hüftersatzoperation unterziehen. Wann es zum Prozess kommt, ist nicht klar. (zun)

* Name geändert 

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