Vor wenigen Tagen quittierte Boris Bondarew (41) seinen Dienst als russischer Diplomat. In einem Brief legte er seine Gründe dar. Er schrieb, die Kreml-Mächtigen würden den Krieg nur führen, um «auf ewig in pompösen, geschmacklosen Palästen wohnen und auf Yachten segeln zu können», schrieb von «katastrophalen Lügen und Unprofessionalität» im Aussenministerium, für das er über zwei Jahrzehnte arbeitete und kritisierte Aussenminister Sergei Lawrow (72). Sein Fazit zum Krieg: «Noch nie habe ich mich so für mein Land geschämt, Russe zu sein.»
Seinen Brief machte er öffentlich, teilte ihn in sozialen Medien und sendete ihn Kollegen. Seither lebt er in Angst. Er fürchtet den Zorn von Kreml-Chef Wladimir Putin (69). Der dafür bekannt ist, Kritiker zu verfolgen, verhaften oder auch zu töten.
Bondarew arbeitete in Genf als UN-Berater und ist noch immer in der Schweiz. Und geniesst hier vollen Schutz. Er wird 24 Stunden am Tag von der Genfer Kantonspolizei und der Bundespolizei bewacht, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
«Herr Bondarew ist gegen uns»
Die Bundespolizei ist für den Schutz von ausländischen Diplomaten zuständig. Bondarew wird zwar diesen Status verlieren, der Schutz wird damit aber nicht automatisch aufhören. Man werde ihm eine «Höflichkeitsfrist» nach Beendigung seiner Tätigkeit einräumen, lässt sich das Fedpol zitieren. Diese betrage in der Regel zwei Monate. Mindestens so lange kann Bondarew also mit Polizeischutz rechnen, sofern das Aussendepartement (EDA) dies für notwendig hält.
Daran dürfte es kaum Zweifel geben. Bondarew hat zwar in seinem Brief keine Geheimnisse verraten und sagte dem «Tages-Anzeiger», nichts Illegales getan zu haben. Bislang gibt es auch keine Anzeichen, dass er ein russischer Spion war. Aber nur er und der Kreml wissen, welche Informationen der Diplomat in seinen über zwei Jahrzehnten im Dienst erhalten hat.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (54) sagte am Dienstag vor Journalisten schon einmal vorsorglich: «Man kann hier wahrscheinlich nur sagen, dass Herr Bondarew nicht mehr zu uns gehört – vielmehr, dass er gegen uns ist».
Keine Asyl-Sonderrechte
Bondarew hat bereits gesagt, nicht mehr nach Russland zurückzukehren. Dort müsste er einen Prozess fürchten, ohne Garantie, dass dieser fair ablaufen wird. Stattdessen wolle er sich eine Arbeit suchen, sagt er dem «Tages-Anzeiger».
Ob er in der Schweiz bleiben wird, lässt er hoffen. Dies dürfte schlussendlich wohl vor allem damit zusammenhängen, ob ihm hier Asyl gewährt wird. Dieses kann er beantragen, habe diesbezüglich aber keine Sonderrechte, sagte Aussenminister Ignazio Cassis (61) am WEF in Davos GR.
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